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Brandenburg verbiegt den Regenbogen
Finanzierung der Schulbildung zu sexueller Vielfalt in Gefahr
»Meldungen zu queerfeindlicher Gewalt nehmen zu und Schulen werden für viele zum Angstraum«, bedauert der Brandenburger Landesverband Andersartig. Die Folgen: Bedrohte schwule Schüler und lesbische Schülerinnen leiden unter der psychischen Belastung, können nicht konzentriert lernen, schwänzen zuweilen den Unterricht und haben damit schlechtere Aussichten für ihre berufliche Zukunft. Das wirkt sich dann natürlich bis ins Erwachsenenalter hinein aus. Es kann sogar zum Schlimmsten kommen: Die Suizidrate liege bei queeren Jugendlichen drei- bis viermal höher als im Schnitt aller jungen Menschen, so der Landesverband Andersartig.
»Was wir brauchen, ist eine leistungsfähige Koordinierung, Entwicklung und Umsetzung queerer Bildungsformate, die der queerfeindlichen Propaganda, die heutzutage Klassenzimmer, Schulhöfe, Elternversammlungen und teils auch Lehrerkollegien vergiftet, etwas entgegenzusetzen hat.«
Lars Bergmann Landesverband Andersartig
»Landesverfassung und Schulgesetz, der Rahmenlehrplan und der vom Bildungsministerium mitgetragene Aktionsplan ›Queeres Brandenburg‹ verpflichten dazu, queere Jugendliche, Lehrkräfte und Regenbogenfamilien vor Übergriffen und Diskriminierung zu schützen«, erinnert Geschäftsführer Lars Bergmann. Für die entsprechende Bildungsarbeit werde Fachwissen, Erfahrung und Geschick im Umgang mit oft widerstreitenden Interessen von Eltern, Schülern und Lehrern benötigt. »Das alles fällt nicht vom Himmel, sondern wurde in über 30 Jahren didaktisch und methodisch entwickelt und erprobt«, sagt Bergmann. Doch um die hochgesteckten Ziele zu erreichen, die sich aus Aktionsplänen und der Verfassung ergeben, dürfe nicht Jahr für Jahr bis weit in den Sommer hinein unklar bleiben, ob man überhaupt Fördermittel für das Projekt »Bildung unterm Regenbogen« erhalte. Der Antrag für 2025 liege nunmehr seit zehn Monaten im Bildungsministerium und es sei noch immer nicht darüber entschieden. Diese Unsicherheit habe zur Kündigung des Projektleiters geführt.
»Was wir brauchen, ist eine leistungsfähige Koordinierung, Entwicklung und Umsetzung queerer Bildungsformate, die der queerfeindlichen Propaganda, die heutzutage Klassenzimmer, Schulhöfe, Elternversammlungen und teils auch Lehrerkollegien vergiftet, etwas entgegenzusetzen hat«, erklärt Bergmann.
Unterstützung erhält Geschäftsführer Bergmann durch die Bundestagsabgeordnete Isabelle Vandré (Linke). In der gegenwärtig so zugespitzten gesellschaftlichen Situation, in der Angriffe und Diskriminierung im Alltag zunehmen, müssten Projekte wie »Bildung unterm Regenbogen« ausgebaut statt eingeschränkt werden, sagt Vandré.
»Es ist ein Skandal, dass die Haushaltssperren der SPD-BSW-Landesregierung dazu führen, dass so ein wichtiges Projekt wie ›Bildung unterm Regenbogen‹ in diesem Jahr erst vier Veranstaltungen durchführen konnte«, findet die Ex-Landtagsabgeordnete Kathrin Dannenberg (Linke), die von Beruf Lehrerin ist und seit ihrem Ausscheiden aus dem Parlament wieder unterrichtet.
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Das Bildungsministerium rechtfertigt die Verzögerung auf nd-Anfrage mit der »vorläufigen Haushaltsführung«. Der Doppelhaushalt 2025/26 muss vom Landtag erst noch beschlossen werden, was nun allerdings im Juni geschehen soll. Dem Ministerium sei der Schutz vor Diskriminierung ein wichtiges Ziel, beteuert Sprecher Alexander Engels. Schließlich verlange das brandenburgische Schulgesetz, dass keine Schülerin und kein Schüler wegen des Geschlechts oder der sexuellen Identität benachteiligt werden dürfe. Das schlage sich auch in den Rahmenlehrplänen nieder. Im Jahr 2024 standen Engels zufolge 580 000 Euro für die Umsetzung von Projekten zu schulisch übergreifenden Themen zur Verfügung, darunter etwa 75 000 Euro für queere Themen. Der Haushaltsentwurf sehe nun für übergreifende Themen 878 000 Euro im laufenden und 1,74 Millionen im kommenden Jahr vor. »Projekte zur Prävention von Diskriminierung sollen darin erneut einen wichtigen Stellenwert finden«, versichert Engels.
Am 19. Dezember sei dem Verband Andersartig der vorzeitige Maßnahmenbeginn genehmigt worden, womit das Projekt »Bildung unterm Regenbogen« bereits »auf eigenes Risiko begonnen werden konnte«, erläutert der Ministeriumssprecher. Dass es gerade für freie Träger herausfordernd sein könne, unter den Bedingungen der vorläufigen Haushaltführung zu arbeiten, ist ihm bewusst. »Durch den engen haushaltsrechtlichen Rahmen ist momentan jedoch kein anderes Vorgehen möglich.«
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