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- Öffentlicher Rundfunk Frankreichs
Angriff auf die »Öffentlichen«
Sparmaßnahmen in Frankreich könnten bei den Medien zu Themenverlust und Entlassungen führen
Ist die finanzielle »Austrocknung« des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht der beste Weg, ihn zu zerstören? Das Bercy-Memo (Sparmaßnahmen des Finanzministeriums mit Sitz in Paris-Bercy – d.R.) sieht die Gründung einer Holding vor, die France Télévisions, Radio France, die INA (das audiovisuelle Archiv – d.R.) und France Médias Monde (die Auslandssender France 24 und RFI – d.R.) vereinen würde. Dieser Prozess ist bereits weit fortgeschritten: Er bildet den Kern des Gesetzesentwurfs von Kulturministerin Rachida Dati, der der Nationalversammlung bis Ende Juni vorgelegt werden soll.
Die linke Medienlandschaft in Europa ist nicht groß, aber es gibt sie: ob nun die französische »L’Humanité« oder die schweizerische »Wochenzeitung« (WOZ), ob »Il Manifesto« aus Italien, die luxemburgische »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek«, die finnische »Kansan Uutiset« oder »Naše Pravda« aus Prag. Sie alle beleuchten internationale und nationale Entwicklungen aus einer progressiven Sicht. Mit einer Reihe dieser Medien arbeitet »nd« bereits seit Längerem zusammen – inhaltlich zum Beispiel bei unserem internationalen Jahresrückblick oder der Übernahme von Reportagen und Interviews, technisch bei der Entwicklung unserer Digital-App.
Mit der Kolumne »Die Internationale« gehen wir einen Schritt weiter in dieser Kooperation und veröffentlichen immer freitags in unserer App nd.Digital einen Kommentar aus unseren Partnermedien, der aktuelle Themen unter die Lupe nimmt. Das können Ereignisse aus den jeweiligen Ländern sein wie auch Fragen der »großen Weltpolitik«. Alle Texte unter dasnd.de/international.
Bercy plädiert ebenso für die Fusion von France 24 auf Französisch und dem Nachrichtenkanal Franceinfo, aber auch für die »Zusammenlegung von Auslandskorrespondenten und Dienstleistungsabteilungen«. Allerdings stößt die Zusammenlegung all der Sender an ihre Grenzen: Es wird Themenverlust, Redundanz von Berichten, sogar ein »Austrocknen« von Kanälen geben.
Die französische Tageszeitung L’Humanité wurde 1904 vom Sozialisten Jean Jaurès gegründet. Ursprünglich als Sprachrohr für die sozialistische Bewegung gedacht, vertritt sie seitdem konsequent linke und sozialistische Positionen. Sie setzt sich für soziale Gerechtigkeit, Arbeitnehmer*innenrechte und weltweiter Frieden ein.
Die Zeitung ist das ehemalige Zentralorgan der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF). 1999 entfiel der explizite Hinweis auf die Partei. Seit 2004 gehört die Zeitung zu 40 Prozent der PCF, Freund*innen und Mitarbeiter*innen halten je zehn Prozent, die Gesellschaft der Freunde 20 Prozent und Großunternehmen wie Sparkassen, der Sender TF1 und der Rüstungskonzern Lagardère den Rest. Heute arbeiten bei der L’Humanité etwa 60 Redakteur*innen; die Zeitung hat etwa 40 000 Abonnent*innen. Das 1930 erstmals begangene Pressefest, die Fête de L’Humanité, ist bis heute ein wichtiger Termin des gesellschaftlichen Lebens in Frankreich.
Noch gefährlicher und zynischer: Das Memo aus Bercy – und dies bringt die Gewerkschaften auf die Barrikaden – empfiehlt »eine Fusion oder Aushandlung eines einheitlichen Tarifvertrags«, was »zu einer Harmonisierung der Löhne führen wird, die zunächst Mehrkosten verursacht, bevor Einsparungen erzielt werden«. Mit anderen Worten: Der arbeitsrechtliche Status aller wird zerstört und es werden reihenweise Mitarbeiter entlassen. Die letzte »Harmonisierung« dieser Art, die Fusion der Fernsehsender im Jahr 2009, erforderte vier Jahre harte Verhandlungen, kostete den Staat 40 Millionen Euro – und führte zudem zu sozialen Verwerfungen.
Seit Emmanuel Macrons erster Amtszeit sinken die Mittel für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stetig. Zwar wurde der Beitrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk abgeschafft – allerdings durch eine Abgabe auf den Mehrwertsteueranteil ersetzt, Kritiker befürchten so einen stärkeren Einfluss des Staates auf die Sender. Auch die Werbung als Einnahmequelle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde beschnitten: Nach 20 Uhr ist sie verboten, was die öffentlich-rechtlichen Sender 450 Millionen Euro kostete.
Der Bercy-Bericht konzentriert sich ständig auf Einsparungen statt auf die Stärkung von Einnahmen. Und riskiert damit den Abbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Rassemblement National (rechtsextreme Partei von Marine Le Pen – d.R.), der schon lange von der Privatisierung dieser Sender träumt, reibt sich die Hände.
Dieser Text ist am 10. Juni in unserem Partnermedium L'Humanité (Frankreich) erschienen. Der mit KI-Programmen übersetzte Beitrag wurde nachbearbeitet und gekürzt.
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