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Mehr als 3 Milliarden Euro – 320 000 Jahre Bürgergeld
Der Maskendeal von Jens Spahn hat 3,1 Milliarden Euro gekostet. Sarah-Lee Heinrich fragt, wer Fehler begehen darf und wer keine
Jeder macht mal Fehler. Man trifft Entscheidungen, die nicht das Ergebnis haben, das man sich wünscht. Man geht mal ein Risiko ein und verliert. Auch wenn man sein Bestes gibt, ist niemand davor geschützt. Auch Regierungsmitglieder nicht.
Ich kann mir sogar ein Szenario vorstellen, in dem, rein hypothetisch, ein Gesundheitsminister während einer Pandemie schnellstmöglich Masken organisieren muss. Und dass das gar nicht so leicht sein könnte, weil der Bedarf weltweit riesig ist. Dass er sich mit bestem Wissen und Gewissen bemüht, aber dann Fehler begeht beim Einkauf. Dass er die falschen Masken holt, Geld ausgibt, das wir nie wieder sehen werden. Wirklich ärgerlich wäre das, aber gerade unter hohem Druck und hoher Dringlichkeit kann das passieren. Nicht alles, was man versucht, klappt auch.
Sarah-Lee Heinrich weiß, was Armut bedeutet. Die Ex-Sprecherin der Grünen Jugend ist in einem Hartz-IV-Haushalt aufgewachsen und engagiert sich seit vielen Jahren gegen soziale Ungleichheit. Sie wirbt für klassenbewusste Ökologie und schreibt jeden zweiten Montag im Monat in »nd.Digital« über Alltag und Ampel.
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der wir einander nicht als Erstes misstrauen, sondern in der wir versuchen die Gründe für schwierige Situationen zu verstehen. In der wir uns gegenseitig auffangen, wenn etwas schiefgeht. So können wir mal was wagen und neue Potenziale verwirklichen.
Ich kann mir auch ein Szenario vorstellen, in dem, rein hypothetisch, jemand seinen Job verliert, den er sehr gemocht hat. Dass er sich bemüht, einen neuen zu finden, viele Bewerbungsgespräche führt, aber nicht mehr angestellt wird. Dass ihm die Situation richtig auf die Psyche schlägt, weil niemand ein Verlierer sein will. Dass das fehlende Arbeitsumfeld zu Vereinsamung führt. Dass er nicht in einen befristeten Job einsteigen will, der das Gegenteil von dem ist, was er gelernt hat. Dass er das Vertrauen ins Jobcenter verliert und es kaum noch aus dem Bett schafft.
Zwischen einer normalen Beschäftigung und dem Bürgergeld stehen oft nur ein oder zwei Ausrutscher. Zwei Kündigungen, eine depressive Phase. Jens Spahn hat für diese Menschen nur Misstrauen übrig. Er und seine Partei hetzen öffentlich gegen sie.
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Und ich würde dieser Person nicht unterstellen, dass sie einfach nur faul ist. Ich verstehe, wie sie in diese Lage hineingeraten ist. Ich verstehe, warum es schwer ist, sich da wieder herauszukämpfen. Ich frage mich, wie wir ihr helfen können. Ich habe kein Problem damit, dass es Geld kostet, das Existenzminimum dieser Person zu sichern. Wir sollten füreinander da sein. Ich will, dass wir ihr psychische Unterstützung, Weiterbildungen und echte Perspektiven ermöglichen. Ich will keine Mühe scheuen, damit diese Person wieder ein glückliches, erfülltes Leben führen kann.
Zwischen einer normalen Beschäftigung und dem Bürgergeld stehen oft nur ein oder zwei Ausrutscher und Probleme. Zwei Kündigungen, eine depressive Phase. Nur sein Bestes geben bewahrt einen nicht davor.
Aber da unterscheide ich mich von Jens Spahn. Jens Spahn hat für diese Menschen nur Misstrauen übrig. Er und seine Partei hetzen öffentlich gegen sie. Für ihn sind Arbeitslose nur ein Kostenfaktor. Er drängt sie an den Rand der Gesellschaft. Ihm sind ihre Umstände egal. Er findet nicht, dass man ihnen helfen sollte, sondern dass sie mit den Konsequenzen ihres Handelns selbst klarkommen müssen.
Diese Menschen dürfen laut CDU keine Last für den Staat sein. Die neuen Pläne der Grundsicherung sehen vor, den Regelsatz so niedrig wie möglich zu halten, den Fokus auf Weiterbildungen der Bezieher zu streichen und sie wieder in den nächstbesten Job unter Androhung von Sanktionen reinzuzwingen, damit sie den Staat bloß nicht zu viel kosten. Jens Spahn kostet den Staat hingegen 3,1 Milliarden Euro. Das sind 320 000 Jahre Bürgergeld.
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