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Handball: Bennet Wiegert und die besten Jahre des SC Magdeburg
Die Handballer des SCM gewinnen das deutsche Finale der Champions League gegen die Füchse Berlin
Als die Schlusssirene ertönte, musste Bennet Wiegert nicht lange überlegen, wem er denn nun zuallererst um den Hals fallen würde. Der Trainer des SC Magdeburg ging auf Yves Grafenhorst zu und herzte seinen Assistenten und Jugendfreund mit einer Vehemenz, dass man sich kurz Sorgen um den Ko-Trainer machen musste. Anschließend steckten die beiden ihre Köpfe zusammen und schauten sich tief in die Augen, aus denen deutlich erkennbar dicke Freudentränen kullerten.
Überraschend einseitig
Es war ein Gefühlsausbruch, wie man ihn selten gesehen hat bei den zwei Männern, die seit fast zehn Jahren die sportlichen Geschicke der Magdeburger Handballer lenken. Andererseits war die Reaktion nur angemessen: Schließlich hatte der SCM soeben zum dritten Mal nach 2002 und 2023 den Titel in der Champions League gewonnen. 32:26 (16:12) hieß es am Sonntagabend in Köln nach überraschend einseitigen 60 Final-Minuten gegen die Füchse Berlin. Dass der Sieg gegen den frisch gekürten Deutschen Meister und alten Lieblingsrivalen gelang, der die Magdeburger im nationalen Titelrennen denkbar knapp auf Platz zwei verwiesen hatte, machte den Erfolg umso süßer.
»Ich muss meiner Mannschaft und allen Beteiligten ein Riesenkompliment aussprechen. Hinter uns lag eine Saison mit knappen Niederlagen im Supercup, im Weltpokal und im Meisterfinale. Deshalb ist das jetzt Balsam auf unsere Seelen«, sagte Wiegert und ergänzte: »Es hätte eine komische Saison werden können – jetzt ist es eine super Saison.« Und obendrein die Fortsetzung der wohl erfolgreichsten Ära in der Geschichte des Vereins: Seit 2022 haben die Magdeburger zweimal den Weltpokal, zweimal die Deutsche Meisterschaft, einmal den DHB-Pokal und nun auch zweimal den wichtigsten Titel des Vereinshandballs geholt – eine beeindruckende Bilanz, die auf ewig mit einem Namen in Verbindung gebracht werden wird: Bennet Wiegert.
Gebrauchter Tag
Im ersten deutsch-deutschen Champions-League-Finale seit 2014 – damals siegte Flensburg gegen Kiel – begannen beide Teams sichtlich nervös. Dem SCM unterliefen in der Anfangsphase ungewöhnlich viele technische Fehler, die die Füchse zu nutzen wussten. Nach zehn Minuten traf Berlins Linksaußen Tim Freihöfer zur ersten Zwei-Tore-Führung an diesem Abend.
In der Folge kamen die Magdeburger aber besser ins Spiel, weil sie auf der einflussreichsten Position im Handball klar im Vorteil waren: im Tor. Im Gegensatz zum Halbfinale am Sonnabend gegen Nantes, als Füchse-Keeper Dejan Milosavljev überragend gehalten hatte, erwischte der Serbe im Endspiel einen äußerst gebrauchten Tag. Zur Pause standen in seinem Arbeitsnachweis exakt null Paraden. Dadurch konnten die Berliner auch nicht ihr gewohntes Tempospiel aufziehen.
Auf der anderen Seite brachte Sergey Hernandez die Berliner reihenweise zur Verzweiflung. Was der spanische Torwart hinten vorbereitete, setzten seine Kollegen in der Offensive fort: Zur Pause führten die Magdeburger mit 16:12. Auch nach dem Seitenwechsel gelang es Wiegerts Mannschaft, die Offensivpower der Berliner zu bändigen. Die Füchse hatten in der Bundesliga im Schnitt mehr als 35 Tore pro Partie erzielt, am Sonntag waren es 26. Das lag nicht zuletzt daran, dass die Magdeburger es geschafft haben, die Kreise von Mathias Gidsel einzuschränken. Der Welthandballer, der seit Monaten jeden Deckungsverbund seziert hatte, wirkte gegen die Defensive des SCM so menschlich wie schon lange nicht mehr.
Magdeburger Rausch
Der Vorsprung der Magdeburger geriet zu keinem Zeitpunkt mehr ernsthaft in Gefahr, weil sie in Halbzeit zwei noch effizienter im Angriff agierten. Angetrieben vom starken Gisli Kristjansson, der trotz einer vor wenigen Wochen erlittenen Schulterverletzung auflief und im Finale mit acht Treffern bester Werfer war, spielte sich der SCM in einen Rausch und nahm den sonst so nervenstarken Berlinern zusehends den Glauben an eine Aufholjagd. Spätestens nach dem verwandelten Siebenmeter zum 31:26 durch den zweiten Isländer im SCM-Trikot, Omar Ingi Magnusson, war die Entscheidung vor mehr als 20 000 Zuschauern endgültig gefallen – und die Feierlichkeiten für die Magdeburger konnten beginnen.
Wie die genau aussehen würden, konnte Wiegert wenig später noch gar nicht richtig absehen. Klar war lediglich, dass er die Verantwortung für die anstehende Party delegierte. »Ich habe seit so vielen Monaten so viele Entscheidungen treffen müssen«, sagte der Magdeburger Trainer. »Ab jetzt freue ich mich darauf, dass ich nur noch hinterherlaufen muss.«
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