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Geflüchtete Kinder: Grenzen der Menschlichkeit
Europa lässt geflüchtete Kinder systematisch im Stich
Kinder und Jugendliche, die nach Europa flüchten wollen, sind an den Außengrenzen vielfach unzureichend geschützt. Sie werden inhaftiert, fälschlich als Erwachsene eingestuft oder ohne rechtliche Unterstützung in Verfahren gedrängt, die ihre besonderen Bedarfe ignorieren. Das zeigen zwei aktuelle Berichte von Save the Children und dem Grundrechteforum bei Frontex.
Die weltweit tätige Kinderrechtsorganisation Save the Children hat die Lage geflüchteter Kinder in den EU-Staaten Griechenland, Italien, Spanien, Polen und Finnland untersucht. Die Ergebnisse des am Mittwoch veröffentlichten Berichts: häufige Missachtung von Kinderrechten, mangelhafte Identifizierung Schutzbedürftiger, fehlende kindgerechte Betreuung. Minderjährige werden vielfach ohne fundierte Prüfung als volljährig eingestuft – mit der Folge, dass sie rechtlich wie Erwachsene behandelt und untergebracht werden, oft in Haft.
Viele Aussagen von minderjährigen Geflüchteten dokumentieren Zurückweisungen, Gewalt und Einschüchterungen an der Grenze. Save the Children warnt, dass die geplante Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) diese Probleme verschärfen könnte. Vorgesehen sind darin unter anderem Schnellverfahren, erweiterte Haftmöglichkeiten – auch für Kinder – und eine Einschränkung individueller Schutzprüfungen.
Auch das Consultative Forum on Fundamental Rights, ein beratendes Gremium bei Frontex, hatte im Mai in seinem Jahresbericht für 2024 auf derartige Missstände hingewiesen. Es besteht aus 13 Organisationen, darunter auch Save the Children, das UNHCR und die EU-Agentur für Grundrechte. Das Forum berät Frontex in Fragen der Menschenrechte – mehr darf es nicht.
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Bei Besuchen in sechs Staaten stellte das Frontex-Forum grundlegende Mängel im Kinderschutz fest. In Zypern fehlt ein funktionierendes Vormundschaftssystem, Schutzbedarfe werden nicht konsequent dokumentiert, Rechtsberatung ist insbesondere in Haft schwer zugänglich. In Albanien leben unbegleitete Minderjährige mit Erwachsenen zusammen, Altersfeststellungen erfolgen ohne objektive Verfahren. Nordmazedonien registriert Kinder in Transitzentren ohne klaren Rechtsstatus oder Zugang zu Asylverfahren. In Serbien mangelt es an Identifikation vulnerabler Kinder und an der Versorgung mit Grundbedarfen. In Bulgarien sind Schutzstrukturen besonders lückenhaft: Es gibt weder unabhängige Aufsicht noch ein verlässliches Vormundschaftssystem; Altersfeststellungen sind unzureichend, Sozialdienste unterbesetzt.
Save the Children fordert in seinem Bericht klare gesetzliche Standards: keine Inhaftierung von Kindern, fundierte und faire Altersfeststellung, geschultes Grenzpersonal, unabhängige Vormundschaft und kindgerechte Information. Die Organisation verweist auf völkerrechtlich verbindliche Normen wie die UN-Kinderrechtskonvention, die EU-Grundrechtecharta und die Europäische Menschenrechtskonvention, die auch an den Außengrenzen gelten müssten.
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