Europäer ringen um diplomatische Lösung im Israel-Iran-Krieg

Außenminister Wadephul: »Iran ist nun am Zug«

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 6 Min.
Der französische Minister für Europa und auswärtige Angelegenheiten, Jean-Noel Barrot (M), trifft in Genf (Schweiz) zum Iran-EU-Nukleartreffen mit den Außenministern Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der EU ein, um mit ihren iranischen Amtskollegen Nukleargespräche zu führen.
Der französische Minister für Europa und auswärtige Angelegenheiten, Jean-Noel Barrot (M), trifft in Genf (Schweiz) zum Iran-EU-Nukleartreffen mit den Außenministern Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der EU ein, um mit ihren iranischen Amtskollegen Nukleargespräche zu führen.

Auch eine Woche nach Kriegsbeginn setzt die israelische Luftwaffe ihre Angriffe im Iran fort. Ziel waren zuletzt iranische Raketensysteme, wie das israelische Militär mitteilte. Unterdessen bemühen sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien um eine Verhandlungslösung. Bundesaußenminister Johann Wadephul traf am Freitag gemeinsam mit seinen Kollegen aus Frankreich und Großbritannien mit dem iranischen Chefdiplomaten Abbas Araghtschi in Genf zu Gesprächen zusammen. Dabei war auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Iran sei nun am Zug, mahnte Wadephul vor dem Treffen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte an, Teheran werde ein »umfassendes Verhandlungsangebot« vorgelegt.

Irans Außenminister Araghtschi forderte hingegen ein Ende der israelischen Angriffe als Voraussetzung für Verhandlungen. Vor dem Treffen mit den drei europäischen Außenministern hat er die internationale Gemeinschaft im UN-Menschenrechtsrat aufgerufen, die Angriffe Israels auf sein Land zu verurteilen. »Jede Rechtfertigung dieses ungerechten und verbrecherischen Krieges käme einer Komplizenschaft gleich«, sagte der Minister. Er wolle jedes Mitglied des Gremiums an seine Verantwortung erinnern, »um dieser schweren Ungerechtigkeit die Stirn zu bieten«. »Diese Nation ist einer unerhörten Aggression ausgesetzt«, so Araghtschi.

US-Präsident Donald Trump hatte seine Sprecherin Karoline Leavitt erklären lassen, er wolle innerhalb der nächsten zwei Wochen darüber entscheiden, ob die USA als wichtigster Verbündeter Israels in den Krieg gegen den Iran eingreifen werden.

Der britische Außenminister David Lammy, der kurz vor dem Treffen in Genf mit US-Außenminister Marco Rubio in Washington zusammentraf, sieht das von Trump genannte Zeitfenster als Chance für eine diplomatische Lösung und warnte vor einer weiteren Eskalation des Konflikts. Es sei jetzt an der Zeit, den dramatischen Szenen ein Ende zu setzen, sagte Lammy.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mahnte eine Verhandlungslösung an. »Der iranische Nuklearbereich ist eine Bedrohung und in der Sache darf es keine laxe Haltung geben«, sagte Macron in Paris. Er ergänzte aber: »Niemand kann ernsthaft glauben, dass man auf diese Bedrohung mit den laufenden Operationen antwortet.« Es gebe sehr gut geschützte Werke im Iran und niemand könne derzeit genau sagen, wo sich das auf 60 Prozent angereicherte Uran befinde. »Das ist ein Programm, über das man auch über technische Expertise und Verhandlungen die Kontrolle zurückgewinnen muss«, sagte Macron er in Paris. Die Rückkehr zu Verhandlungen müsse Priorität haben.

Der deutsche Außenminister hatte vor dem Abflug nach Genf erneut Gesprächsbereitschaft gegenüber Iran signalisiert, aber zugleich einen Forderungskatalog ausbuchstabiert. »Das setzt die ernsthafte Bereitschaft des Iran voraus, auf jede Anreicherung von nuklearem Material zu verzichten, was in Richtung einer atomaren Bewaffnung gehen könnte.« Auch über das Raketenprogramm Teherans müsse verhandelt werden. »Wenn diese ernsthafte Bereitschaft besteht, dann wird unsererseits auch die Folge sein, dass wir bereit sind, weitere Gespräche zu führen.«

Nach einem baldigen Ende des Konflikts sah es zunächst nicht aus. Israels Verteidigungsminister Israel Katz wies die Armee an, ihre Angriffe auszuweiten und dabei verstärkt Ziele der Regierung in Teheran ins Visier zu nehmen. Auf diese Weise solle das »Regime« destabilisiert werden, sagte Katz. Staatliche Symbole sollten angegriffen und eine umfassende Evakuierung der Bevölkerung Teherans herbeigeführt werden.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) bereitet sich auf größere Flüchtlingsgruppen aus dem Iran vor. »Wir erstellen Krisenpläne«, sagte UNHCR-Chef Filippo Grandi der Deutschen Presse-Agentur. »Wir haben sie noch nicht veröffentlicht, weil wir nicht genügend Informationen haben und weil wir die Entwicklung abwarten. Aber wir planen auf jeden Fall.« Es gebe bereits unbestätigte Berichte über Ankömmlinge aus dem Iran in Armenien, Aserbaidschan und Turkmenistan, sagte Grandi.

Großbritannien und die Schweiz, die seit Jahrzehnten auch die diplomatischen Interessen der USA im Iran vertritt, schlossen ihre Botschaften in Teheran. Die Briten teilten mit, das Botschaftspersonal wegen der Sicherheitslage vorübergehend aus dem Iran abzuziehen. »Die Situation könnte schnell eskalieren«, schrieb das Außenministerium in London. Gearbeitet werde nun aus der Ferne. Das Schweizer Außenministerium teilte mit, die Entscheidung sei »angesichts der Intensität der militärischen Operationen im Iran und der äußerst instabilen Lage« getroffen worden.

Bei den Angriffen am Freitag wurden nach israelischen Angaben Raketensysteme in den Gebieten von Teheran und Isfahan zerstört. Mit den Angriffen plane die Luftwaffe, ihre Handlungsfreiheit im iranischen Luftraum auszuweiten, teilte das Militär mit.

Angesichts der eigenen militärischen Stärke herrscht nach Ansicht des Nahost-Experten Simon Fuchs in Israel geradezu Euphorie. Daher sei das Land derzeit eigentlich grundsätzlich nicht an einem Abkommen interessiert, sagte der Professor für Islamwissenschaft an der Hebräischen Universität in Jerusalem. »Man will jetzt nicht davon ablassen, den Iran jeglicher militärischer Macht und auch jeglicher nuklearer Fähigkeiten zu berauben«, sagte Fuchs im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Falls es hier nicht zu einem grundlegenden Umdenken komme, seien die europäisch geführten Gespräche eigentlich zum Scheitern verurteilt, sagte Fuchs weiter. Eine echte Chance für den Vorstoß der Europäer sieht Fuchs, falls der Iran zum Verzicht auf jegliche Urananreicherung – auch zu zivilen Zwecken – bewegt werden könnte. Das lehnt die Regierung in Teheran bislang strikt ab.

Ein Einlenken Teherans ohne vollkommenen Gesichtsverlust wäre nach Ansicht des Experten aber denkbar. Die politische und religiöse Führung könnte auf die noch bestehende Schlagkraft ihrer Raketenmacht verweisen, samt der aus iranischer Sicht erfolgreichen Einschläge im israelischen Kernland, sagt Fuchs. Auch der bevorstehende islamische Trauermonat Muharram biete eine Möglichkeit, ein Überschreiten von vermeintlich roten Linien ideologisch zu rechtfertigen.

In Teheran kam es nach dem Freitagsgebet zu einer Kundgebung von Regierungsanhängern. Der Sicherheitsexperte Riad Kahwaji von dem in Dubai ansässigen Institute for Near East and Gulf Military Analysis (Inegma) geht davon aus, dass der Iran derzeit auf Zeit spielt.

Teheran rationiere seine Raketen und versuche die Moral im eigenen Land mit Propaganda aufrechtzuerhalten. Eine US-Intervention mit einem gezielten Schlag auf die Urananreicherungsanlage in Fordo könne daher verhindern, dass es zu einem langgezogenen Konflikt komme. Es sei aber unklar, ob das zu einer Kapitulation Teherans oder sogar einem Kollaps der Regierung führen werde, sagte er im dpa-Gespräch. Mit Agenturen

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