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Sanierung der Bahn: Der schädliche Einfluss der Autolobby
Stefan Otto über eine dahinsiechende Bahn
Kann sich noch jemand an den Deutschlandtakt der Bahn erinnern? Im Halbstundentakt sollten die Fahrziele miteinander vernetzt werden. Die Fahrgastzahlen sollten sich bis 2030 verdoppeln, hieß es vor fünf Jahren, als eine schwarz-rote Koalition regierte und die Deutsche Bahn als Staatsunternehmen stärken wollte. Das ambitionierte Vorhaben scheint jedoch im Sande verlaufen zu sein – es ist ruhig um diese Vision geworden.
Stattdessen wird nun über die dringend anstehenden Bahnsanierungen gestritten. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) äußerte Zweifel an den vielen zeitgleich geplanten Bauvorhaben, die den laufenden Betrieb möglicherweise zu stark einschränken könnten. Daher will er die Bauarbeiten zeitlich bis Mitte des nächsten Jahrzehnts strecken.
Dabei liegt die Infrastruktur der Bahn längst am Boden. Verspätungen, Zugausfälle und verdreckte Züge machen dies für alle sichtbar – über viele Jahre wurde das Unternehmen sträflich vernachlässigt. Ein Blick auf das Streckennetz verdeutlicht das Ausmaß: Seit der Bahnreform 1994 wurden 5400 Kilometer Bahnstrecke stillgelegt. Das entspricht 16 Prozent des gesamten Streckennetzes, weil viele Verbindungen angeblich unrentabel seien.
Doch die Schiene ist kein beliebiges Wirtschaftsunternehmen, sondern ein elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge. Mit einer eingeschränkten Bahn werden die Klimaziele im Verkehrssektor nicht einzuhalten sein – schließlich ist dieses Verkehrsmittel weitaus umweltfreundlicher als das Kraftfahrzeug.
Um zu erklären, warum es der Bahn so schlecht geht, hilft vielleicht ein Blick auf eine weitere Zahl: Seit 1991 haben die Deutschen ihr Autobahnnetz um 20 Prozent auf 13 200 Kilometer erweitert. Gegenüber der Schiene hat die Straße eindeutig an Priorität gewonnen. Das liegt wohl auch daran, dass die Regierungen bei der Verkehrsentwicklung stets die heimische Autoindustrie im Blick haben und einen regen Austausch mit deren Lobby pflegen.
Wozu das geführt hat, zeigt sich beispielhaft, wenn man von Frankfurt nach Kassel in der Regionalbahn fährt und keine einzige Toilette funktioniert. Für ein Land, das sich damit rühmt, hoch entwickelt zu sein, ist das schlichtweg desolat.
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