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DFB-Frauen arbeiten am Feinschliff für die Titelmission
Deutschlands Fußballerinnen schuften im Trainingslager für den Traum vom neunten EM-Titel
Ärmellose Trainingsshirts stehen gerade ebenso hoch im Kurs wie die Flaschen mit Elektrolytgetränken. Am Sonntag beschallte zusätzlich Charts-Musik die deutschen Fußballerinnen bei ihrer allein wegen der Sommerhitze schon schweißtreibenden Vormittagseinheit in Herzogenaurach. Schattenplätze sind auf dem weitläufigen Trainingsgelände zwar eher rar, trotzdem gelten die Bedingungen für den Vorlauf auf die Frauen-EM in der Schweiz, die am 2. Juli beginnt, als optimal. Die fränkische Wohlfühloase soll als Kraftquelle für die Titelmission dienen.
Eine Vorbereitung auf dem »Homeground« des (Noch-)Ausrüsters Adidas ist den meisten aus der Vergangenheit ebenso noch vertraut wie ein Medientag im angrenzenden Multifunktionsgebäude. Nach dem Mittagessen erschienen 22 Protagonisten zu den weitgehend entspannten Gesprächen. Nur Stammtorhüterin Ann-Katrin Berger reist erst am Freitag an, weil die bei NY/NJ Gotham spielende 34-Jährige in der weiter laufenden US-Profiliga gefordert war – und nun noch einmal abschalten soll. Sie ist im Grunde die einzige Akteurin, die mit reichlich Spielpraxis das Turnier angeht.
Fokus auf Training und Entspannung
Im Gegensatz zum EM-Gastgeber Schweiz oder Titelverteidiger England wird der achtfache Europameister Deutschland kein Testspiel mehr bestreiten – nicht mal hinter verschlossenen Türen gegen lokale männliche Juniorenmannschaften. Bundestrainer Christian Wück will den Fokus aufs Training legen und die Überzeugung auf diesem Weg vermitteln. Nur zur Erinnerung: Vor der vermasselten WM 2023 in Australien ging die Generalprobe gegen Sambia (2:3) grandios schief und sorgte schon vor dem Turnier für mächtig Verdruss.
Wück gewährt lieber noch zwei Tage Heimaturlaub von Dienstag bis Donnerstag. Alles in allem ziemlich viel Freizeit, doch haben die überzeugenden Nations-League-Auftritte gegen die Niederlande (4:0) und Österreich (6:0) unter der Regie des 52-Jährigen ja auch Zuversicht geschürt, dass das Ensemble wie vor drei Jahren bei der begeisternden EM in England wieder weit kommen kann.
Spielfreude und Kompaktheit als Schlüssel
»Man merkt den Spielerinnen an, dass sie Freude haben, hier und am Ball zu sein. Jeder, der eine Vorbereitung mal mitgemacht hat, weiß, wie wichtig es ist, auch mal durchzuatmen«, erklärte Ko-Trainerin Maren Meinert. Den Arbeitsauftrag formulierte die 51-Jährige so: »Wir feilen an allem ein bisschen.« Der Vorlauf ist bewusst kurz und knackig gestaltet, damit sich die Spielfreude zum EM-Auftakt gegen Polen in St. Gallen am 4. Juli entlädt. Danach folgen die schwierigeren Gruppenspiele gegen Dänemark in Basel (8. Juli) und Schweden in Zürich (12. Juli). Im Viertelfinale könnte es dann gegen England, Frankreich oder die Niederlande gehen.
»Kompaktheit ist das Zauberwort«, wünscht sich Meinert nun als schwarz-rot-goldenen Wesenskern. Die frühere Nachwuchstrainerin verantwortet in erster Linie die offensiven Bereiche, die einstige Weltklasse-Verteidigerin Saskia Bartusiak die defensiven Abläufe, wobei vieles natürlich ineinander übergreift. Ohnehin müsse das Team gemeinsam funktionieren, wie Sportdirektorin Nia Künzer aus eigener Erfahrung als Weltmeisterin weiß: »Es gilt alle Kräfte zu bündeln, alle Egos zurückzustellen.«
Der Bundestrainer freut sich auf den Druck
Damit sind verdiente Kräfte gemeint, die sich vorerst in der zweiten Reihe wiederfinden: Sara Däbritz (30 Jahre/103 Länderspiele) und Kathrin Hendrich (33/83) bringen zwar die meiste Erfahrung mit, doch für die Stammelf sind die zu Real Madrid wechselnde Mittelfeldspielerin Däbritz und die zu den Chicago Stars FC übersiedelnde Verteidigerin Hendrich vorerst nicht eingeplant. Bei beiden ist davon auszugehen, dass sie die Rückversetzung klaglos akzeptieren.
Die Kaderzusammensetzung mit elf Vize-Europameisterinnen von 2023 und sieben Turnierneulingen wirkt insgesamt schlüssig. Kapitänin Giulia Gwinn beschrieb ihre Mitspielerinnen als »jung, wild und hungrig.« Die 25-Jährige ist diejenige, die als neues Gesicht der Mannschaft vorangehen soll. Der Stil ist deutlich offensiver ausgerichtet als unter Wücks Vorgänger Horst Hrubesch. Bei einer EM spielt zwangsläufig die hohe Erwartungshaltung mit, weil in den 80er und 90er Jahren fast immer Deutschland die Trophäe ergatterte. »Der Druck ist definitiv da«, weiß Wück, »Wichtig wird sein, wie wir damit umgehen. Ob wir ihn als Belastung ansehen oder sagen: ‚Druck ist doch geil!‘«
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