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Konferenz in Sevilla: Wieder eine Chance vertan

Verena Krösus über die anstehende Konferenz über die Finanzierung der Entwicklungshilfe

  • Verena Kröss
  • Lesedauer: 3 Min.
Vieh auf der Suche nach Futter auf einem Dürrefeld in Kenia
Vieh auf der Suche nach Futter auf einem Dürrefeld in Kenia

Vom 30. Juni bis zum 3. Juli findet die 4. Internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung im südspanischen Sevilla statt. Bei dieser einzigartigen Gelegenheit geht es ausnahmsweise nicht bloß um das Einsammeln von Geldern, sondern um grundlegende Regeln und Machtfragen: Welche Staaten dürfen mit am Tisch sitzen, wenn über Steuern, Schulden, Handel und systemische Fragen der Finanzordnung entschieden wird? Bereits seit vergangener Woche steht fest, dass die Verhandlungsergebnisse meilenweit hinter den strukturellen Finanzreformen zurückbleiben, die mit Blick auf die aktuellen weltweiten Krisen notwendig gewesen wären. Dies haben insbesondere die reichen Länder des Globalen Nordens zu verantworten.

Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich die Staaten überraschenderweise auf ein Ergebnisdokument. Im Konsens war dies nur möglich, nachdem die USA den Prozess verlassen hatten. Washington hatte bis zuletzt fast jeden Absatz sabotiert mit dem Versuch, die eigene Vormachtstellung in der Finanzarchitektur zu verteidigen sowie den Kulturkampf gegen Geschlechtergerechtigkeit und Klimaschutz weiterzuführen. Während die Einigung im Konsens – ohne die USA – nun von einigen als Sieg des Multilateralismus heraufbeschworen wird, bleibt bei Beobachterinnen und einigen Ländern des Globalen Südens vor allem der faule Beigeschmack eines erzwungenen Minimalkonsenses.

Verena Kröss

Verena Kröss ist Referentin bei der Nichtregierungsorganisation WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung.

Auch ohne die USA war der große Wurf nicht möglich. Deutschland und die EU-Staaten, Großbritannien, Kanada und Japan haben erfolgreich die Ambitionen für wesentliche Reformen untergraben. In vielen Punkten zementierten sie einen Status Quo, der akute Krisen fortschreibt und für Millionen Menschen weltweit existenzgefährdend ist.

Am deutlichsten wird dies bei der besonders kontrovers diskutierten Schuldenarchitektur. Hoffnungen auf konkrete Schritte hin zu einem geregelten Staateninsolvenzverfahren wurden enttäuscht. Die hohen aktuellen Schuldrückzahlungen bedeuten, dass Investitionen in Bildung, Daseinsvorsorge oder Klimaschutz im Globalen Süden gestrichen werden. Die soziale Katastrophe ist programmiert, die ökologische gleich mit.

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Es ist einfach, sich über diejenigen lustig zu machen, die Hoffnungen in UN-Prozesse setzen, und die harten Verhandlungen über die abstruse Sprache von UN-Texten zu belächeln. Fakt bleibt jedoch, dass wir gerade auf verschiedenen Bühnen in Echtzeit beobachten, wie die multilaterale Ordnung zerfällt und sich die wenigen Fenster für progressive Reformen ungenutzt schließen. Wer dies beklatschen will, sollte sich klarmachen, was droht: das Recht des Stärkeren und noch brutalere ökonomische Zwänge für ärmere Länder.

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Aber: Kämpfe um Gerechtigkeit werden nicht auf einer Konferenz entschieden, sondern sind ein Prozess. Die globalen Krisen bringen die bestehende Wirtschaftsordnung an ihre Grenzen. Die Probleme sind klar benannt, erste Lösungsansätze ebenfalls. Alle Forderungen, die es nicht ins Dokument geschafft haben, werden wiederkommen. Linke hierzulande sollten ihren Internationalismus und den Kampf um gerechte Weltwirtschaftsregeln auch in Zeiten des Rechtsrucks neu beleben.

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