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Bayerns Basketballer gewinnen eine Meisterschaft mit Beigeschmack
Die Münchner verteidigen ihren Meistertitel, während Herausforderer Ulm weiter mit dem Spielplan hadert
Für 39 Minuten und 40 Sekunden war Karim Jallow der beste Rebounder im entscheidenden Spiel um die deutsche Basketball-Meisterschaft. Der 28-jährige Flügelspieler von Ratiopharm Ulm hatte für sein Team bis 20 Sekunden vor Spielende schon zwölf Fehlwürfe der Bayern eingesammelt, doppelt so viele wie die erfolgreichsten Rebounder des Gegners. Doch ausgerechnet der wichtigste Rebound des Spiels rutschte dem gebürtigen Münchner durch die Hände.
Beim Stand von 80:77 flatterten Bayerns Shabazz Napier an der Freiwurflinie die Nerven. Der zweite Versuch des US-Amerikaners prallte vom Korb ab. Statt eines Vier-Punkte-Vorsprungs hätte Ulm die Chance gehabt, mit einem Dreier auszugleichen – hätte, wenn Jallow auch noch dieser eine Rebound gelungen wäre. Doch Bayern-Kapitän Vladimir Lučić störte den Ulmer im Sprung. Jallow konnte den Ball nicht festhalten und Bayern war wieder in Ballbesitz. Ulm musste foulen, um die Spieluhr anzuhalten, und Lučić sorgte an der Freiwurflinie für den 81:77-Endstand und den siebten Meistertitel der Münchner.
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Das Problem mit dem NBA-Draft
»Bayern hat verdient gewonnen. Es ist sehr bitter, so zu verlieren, aber ich bin unheimlich stolz auf die Mannschaft, auch wegen der Sachen, die da dazwischengekommen sind mit Ben, mit Noa«, sagte Jallow nach dem Spiel beim Streaming-Anbieter Dyn und sprach damit auch direkt die Diskussion an, die über dem gesamten Meisterschaftsfinale hing wie Gewitterwolken. Weil die Ulmer Talente Noa Essengue und Ben Saraf in diesem Sommer in die NBA wechseln wollen, hatte der Meister von 2023 vergeblich beantragt, die Finalserie der Basketball-Bundesliga (BBL) vor den NBA-Draft zu legen, in dem sich die US-Teams in einer ausgelosten Reihenfolge die Rechte an jungen Spielern sichern.
Die erste Runde der Talentewahl fand am Mittwoch in New York statt. Sowohl der 18-jährige Essengue als auch der 19-jährige Saraf wurden dafür in die USA eingeladen. Letztlich entschied sich nur Essengue für die Reise. Der junge Franzose wurde an zwölfter Stelle von den Chicago Bulls gedraftet. Doch auch der Israeli Ben Saraf blieb am Donnerstag bis in die frühen Morgenstunden wach, um live mitzuerleben, wie ihn die Brooklyn Nets an 26. Stelle verpflichteten. »Wir verlieren zwei Spieler. Ben, der heute natürlich seinen Draft geguckt hat um fünf Uhr morgens und nicht im Shootaround sein konnte. Noa, der da rübergeht, seinen Traum verfolgt. Wir unterstützen das als Mannschaft zu 100 Prozent, aber du verlierst zwei Spieler im Finale. Das kann es absolut nicht sein«, ärgerte sich Jallow.
Terminkollision durch neues Playoff-Format
Essengue hatte wegen seiner Draft-Reise schon das vierte Spiel der Playoff-Serie am Dienstag verpasst, als Ulm vor eigenem Publikum die Chance nicht nutzen konnte, den entscheidenden dritten Sieg einzufahren. Stattdessen konnten die Bayern in der Best-of-Five-Serie zum 2:2 ausgleichen und profitierten im alles entscheidenden fünften Spiel auch davon, dass Aufbauspieler Saraf deutlich weniger eingesetzt wurde. Zu der Terminkollision mit dem NBA-Draft kam es, weil die BBL seit dieser Saison in jedem Playoff-Spiel das Heimrecht tauscht. Bisher hatte die höher gesetzte Mannschaft die ersten beiden Heimspiele, danach das niedriger gesetzte Team, ehe ein entscheidendes fünftes Spiel wieder in der Halle des höher gesetzten Teams gespielt wurde. Durch das neue Format mussten mehr Reisetage eingeplant werden, wodurch sich die Playoffs auf 41 Tage verlängerten.
»Das zehrt mental, körperlich so hart an den Leuten und man hat es qualitativ gesehen. Das war teilweise kein schöner Basketball von beiden Seiten«, kritisierte Karim Jallow den neuen Spielplan. Und nicht nur die Verlierer wirkten am Donnerstag extrem ausgelaugt. »Wir sind alle komplett durch. Das war heute einfach nur eine Willenssache. Wir haben in der ersten Halbzeit guten Basketball gespielt und in der zweiten Halbzeit haben wir uns einfach durchgewollt«, erklärte Bayerns Nationalspieler Johannes Voigtmann bei Dyn.
Der 2,11 Meter große Weltmeister von 2023 rettete den Bayern in der Schlussphase die erfolgreiche Titelverteidigung. Nachdem die Münchner im zweiten Viertel schon mit 17 Punkten geführt hatten, sah zunächst alles danach aus, dass die über weite Strecken vor allem vom Kampf geprägte Finalserie kein besonders spannendes Ende finden würde. Doch Ulm arbeitete sich mit vielen Offensiv-Rebounds zurück in die Partie, führte zwei Minuten vor Schluss sogar mit 75:73. Dann aber kam Voigtmanns großer Auftritt. Der vor der Saison von Olimpia Mailand zu Bayern gewechselte 32-Jährige traf zwei ganz wichtige Dreier und brachte sein Team wieder mit 79:75 nach vorne. Wenig später gewann Lučić gegen Jallow das folgenschwere Rebound-Duell.
Bayern entgeht einer titellosen Saison
Voigtmann verhinderte damit auch eine titellose erste Saison für seinen ehemaligen Nationalcoach Gordon Herbert. Der kanadische Weltmeistertrainer sollte die Bayern in seiner ersten Spielzeit eigentlich auf das nächste Level heben. Doch im Pokal scheiterten die Münchner im Februar am späteren Überraschungssieger, dem MBC aus Weißenfels. Mitte April verfehlten die Bayern nach einer deutlichen Play-In-Niederlage gegen Real Madrid dann auch das große Ziel, sich für die Playoffs in der Euroleague zu qualifizieren. Danach wirkte es eine ganze Weile so, als ob es den Bayern schwerfiele, sich für die Endphase der Bundesliga zu motivieren. Mit dem Meistertitel ist zumindest das Minimalziel erreicht.
Für Bayern und Ulm steht jetzt ein Umbruch an. Während die Baden-Württemberger ihre beiden Toptalente ersetzen müssen, werden die Münchner mindestens zwei Stützen des Teams verlieren. Nationalspieler Nick Weiler-Babb wird den Meister ebenso verlassen wie ihr US-amerikanischer Topscorer Carson Edwards, der den Bayern allerdings schon seit zwei Monaten mit einer Rückenverletzung fehlt. Auch bei US-Center Devin Booker steht ein Abschied im Raum. Die Münchner haben einiges an Arbeit vor sich, um ihre Vormachtstellung im deutschen Basketball zu verteidigen. Der Spielplan dürfte dabei im kommenden Jahr hoffentlich kein Thema mehr sein. Die BBL hat inzwischen angekündigt, die Terminkollision mit dem NBA-Draft künftig zu vermeiden.
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