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Jahrestag eines Unrechts
Maja T. ist seit einem Jahr in Budapest in Haft
Vor einem Jahr wurde die Jenaer*in Maja T. trotz eines laufenden Eilverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht aus der JVA Dresden über Österreich nach Budapest ausgeliefert. Dort steht sie derzeit wegen des Vorwurfs vor Gericht, sich im Februar 2023 an Gewalttaten gegen tatsächliche oder mutmaßliche Rechtsextremisten beteiligt und für schwere Körperverletzungen mitverantwortlich gewesen zu sein.
Laut ihrem Vater glich die Aktion einer Entführung. Auf einer Demonstration in Jena, mit der am Samstag an den Jahrestag der Auslieferung erinnert und Maja T.s Rückholung gefordert wurde, schilderte er ihre Erfahrungen: Sie sei nachts von Justizbeamten und LKA- Mitarbeitern geweckt worden, bekam Handschellen angelegt, einen blickdichten Sack über den Kopf gezogen und einen gepolsterten Helm aufgesetzt. T. soll während des Transports unter Atemnot gelitten haben. Es sei zur Anwendung von Schmerzgriffen gekommen und es habe keine Möglichkeit einer Flüssigkeitsaufnahme gegeben.
Maja T.s Vater und die Thüringer Linke-Abgeordnete Katharina König-Preuss sprechen von einer gezielten, langfristig vorbereiteten Aktion. König-Preuss bezweifelte, dass ein Helikopter-Einsatz samt »mehreren Hundertschaften« spontan möglich sei. »Das war eine politische Entscheidung, die, wenn man ehrlich ist und sich mal Strukturen und Logik anschaut, schon länger vorbereitet war«, so König-Preuss.
Die Auslieferung geschah so gut koordiniert und schnell, dass es kaum genügend Zeit gab, um juristisch zu reagieren. Das Bundesverfassungsgericht untersagte die Auslieferung am Morgen des 28. Juni – zu spät: Maja war bereits in Ungarn. Konsequenzen für die Behörden blieben aus. Im Februar 2025 erklärte Karlsruhe die Auslieferung dann rückwirkend für rechtswidrig.
Maja T. weiter im Hungerstreik
Bei der Auftaktkundgebung in Jena forderten Vertreter*innen von Grünen und Jusos Majas Rückholung. Ein Sprecher der Grünen sagte: »Die Bedingungen in Ungarn sind nicht akzeptabel. Die Bundesregierung muss alles tun, um diesen Fehler zu korrigieren.«
Maja T. befindet sich weiter in Untersuchungshaft in Ungarn und aktuell fast vier Wochen im Hungerstreik. Seit dem 5. Juni verweigert die non-binäre Antifaschist*in Nahrung. Der Protest richtet sich gegen die fortgesetzte Isolationshaft und ein aus Sicht vieler politisch motiviertes Verfahren. Laut dem Solidaritätskomitee »Free Maja« hat T. bereits zwölf Kilo verloren.
Protestmarsch nach Berlin
Nach der Demonstration in Jena startete Maja T.s Vater einen Protestmarsch nach Berlin unter dem Motto »Zu Fuß für Gerechtigkeit«. In einer Erklärung fragt er: »Wie kann es sein, dass das Bundesverfassungsgericht eine Grundrechtsverletzung feststellt, aber die Bundesregierung kaum reagiert?«
Er trägt eine Petition mit rund 100 000 Unterschriften bei sich. Die Forderung: ein Gespräch und klare Maßnahmen zur Rückholung. Gegenüber »nd« sagte der Vater: »Jetzt muss endlich etwas geschehen. Herr Wadephul, holen Sie Maja zurück nach Deutschland.«
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Zwar gebe es Signale aus dem Auswärtigen Amt, doch nach einem Jahr Isolationshaft seien die Fortschritte marginal. »Isolationshaft ist Folter. Auch das Verfahren ist eine Farce. Urteil und Strafmaß scheinen festzustehen«, so die Initiative »Zu Fuß für Gerechtigkeit«.
Solidaritätsbesuch in Budapest
Am Samstag besuchten zudem die Bundestagsabgeordnete Katrin Göring-Eckardt und der EU-Abgeordnete Daniel Freund (beide Grüne) Maja T. im Gefängnis – erstmals ohne Trennscheibe. Göring-Eckardt sagte in einem Video auf X: »Wir wollen, dass Maja ein rechtsstaatliches Verfahren erhält und nach Deutschland überstellt wird.« Auch Carola Rackete und Martin Schirdewan, EU-Abgeordnete der Linken, hatten Maja T. zuvor besucht. Die Besuche sind ein Zeichen wachsender Unterstützung aus der Opposition. Landesverbände und Bundespartei der Linken fordern bereits seit Langem ihre Rückkehr, Linksfraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek erwähnte den Fall im Bundestag.
Während sich die Grünen in der Ampel lange zurückhielten, fordern Partei und Jugendverbände nun offen die Rückführung T.s und ein rechtsstaatliches Verfahren. Die SPD schweigt bislang – anders als ihre Jugendorganisation, die Jusos.
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