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Handel ohne Dollar
Die Islamische Republik Iran will die US-Währung vom Thron des weltweiten Warenaustausches stoßen
Was sucht die Islamische Republik Iran in der Brics-Gruppe? Eine Erklärung lieferte der jüngste Krieg zwischen dem Iran auf der einen sowie Israel und den USA auf der anderen Seite: Die Brics-Staaten haben die Angriffe in einer gemeinsamen Erklärung verurteilt. »Wir bringen unsere tiefe Besorgnis über die seit dem 13. Juni 2025 gegen die Islamische Republik Iran gerichteten Militärschläge zum Ausdruck, die einen Verstoß gegen das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen darstellen«, heißt es in der Erklärung des brasilianischen Außenministeriums. Eine Unterstützung, die die westlichen Staaten dem Iran versagt haben. Diese haben die Angriffe Israels sogar verteidigt – entgegen klaren völkerrechtlichen Bestimmungen.
Die Brics-Staaten äußerten sich besorgt über die Angriffe auf iranische Nuklearanlagen und erklärten, diese verstießen gegen die einschlägigen Resolutionen der Internationalen Atomenergie-Organisation. »Die Brics-Staaten setzen sich weiterhin für die Förderung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit sowie für die Förderung der Diplomatie und des friedlichen Dialogs als einzigen nachhaltigen Weg zu langfristiger Stabilität in der Region ein«, heißt es in der Erklärung.
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Aber der Iran verbindet mit der Brics-Mitgliedschaft auch langfristige strategische und vor allem wirtschaftspolitische Interessen. Die chronische Wirtschaftskrise, maßgeblich ein Ergebnis der seit Jahrzehnten auf dem Land lastenden Sanktionen und weit verbreiteter Korruption, hoffen die Entscheidungsträger in Teheran mithilfe wirtschaftlich potenter, nichtwestlicher Staaten abfedern zu können. Zu Russland und China, beide Brics-Gründungsmitglieder, pflegt die Islamische Republik ein besonders enges Verhältnis, nimmt auch an gemeinsamen Militärübungen teil.
China gehört zu den wichtigsten Abnehmern iranischen Erdöls, beide Staaten haben 2021 einen über 25 Jahre laufenden Kooperationspakt über Handel, Wirtschaft und Transport geschlossen; mit Russland wurde im Januar eine 20-jährige strategische Partnerschaft vereinbart. Diese Verträge sind aber keine Lebensversicherung für den Iran: Im Krieg gegen Israel haben sowohl Peking als auch Moskau keinerlei Schritte unternommen, um den Iran konkret zu unterstützen.
Iran hofft auf wirtschaftspolitische Vorteile
Die Brics-Mitgliedschaft soll dem Iran vor allem wirtschaftliche Vorteile bringen. Die Wirtschaftskrise lastet schwer auf den Iranerinnen und Iranern. Offiziellen Angaben zufolge lebten im Jahr 2024 etwa 33 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, berichtete der staatliche türkische Auslandssender TRT Global; einige Quellen gingen davon aus, dass diese Zahl sogar bei über 50 Prozent lag. Darüber hinaus liege die Jugendarbeitslosenquote bei 19,4 Prozent; die Hälfte der Männer zwischen 25 und 40 Jahren sei arbeitslos und suche nicht aktiv nach Arbeit. Das Land ist in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf weltweit auf Platz 117 zurückgefallen und liegt weit hinter der Türkei, die in der Vergangenheit vergleichbar war, was Größe, Bevölkerung und wirtschaftliches Potenzial angeht.
Die iranische Volkswirtschaft ist unter den Brics-Mitgliedern eine der schwächsten, und es wird nicht erwartet, dass sie schnell wachsen werde. Lokale Medien berichten, dass die Preise für Brot innerhalb des vergangenen Jahres um 200 Prozent gestiegen seien, und auch bei anderen lebensnotwendigen Gütern wie Wasser und Wohnraum gab es starke Preissteigerungen.
Monopol des US-Dollars brechen
Es gibt also Handlungsbedarf. Vor allem erhofft sich die iranische Regierung von der Brics-Gruppe, die Vorrangstellung des US-Dollars im internationalen Handel zu verringern, vor allem durch die verstärkte Verwendung ihrer eigenen Währungen im Handel. Es gibt sogar Bestrebungen, eine neue, Brics-weite Währung einzuführen, eine Idee, die der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva mitverfolgt hat. Bereits 2023 ließ der damalige iranische Präsident Ebrahim Raisi durchblicken, dass der Iran vor allem Interesse daran habe, den Handel zu entdollarisieren.
Skeptiker sagen jedoch, dass diese Ambitionen in weiter Ferne liegen. Eine hochrangige iranische Quelle dämpfte schon 2023, bei den Gesprächen über die Aufnahme Irans, die Erwartungen an die praktischen Ergebnisse. Im Gespräch mit Amwaj.media bezeichnete eine anonyme Quelle die Brics-Mitgliedschaft als »eine wichtige Errungenschaft in Bezug auf das Prestige«, die jedoch nur geringe »finanzielle Vorteile« mit sich bringe.
Kommt die Brics-Währung?
Eine eigene Brics-Währung zu schaffen, würde unter anderem eine Bankenunion, eine Fiskalunion und eine allgemeine makroökonomische Konvergenz erfordern. Sind alle Mitglieder dazu bereit? Der Dollar, seit Langem die wichtigste Reservewährung der Welt, wird immer noch für mehr als 80 Prozent des Welthandels verwendet, und viele Experten bezweifeln, dass eine neue Brics-Reservewährung stabil oder zuverlässig genug wäre, um bei globalen Transaktionen weithin Vertrauen zu genießen.
Der Iran hat angekündigt, dass er eine Delegation nach Rio de Janeiro entsenden wird, ebenso wie Russland. Gut möglich, dass das Gipfeltreffen dann eher von politischen Themen wie der nationalen Souveränität bestimmt wird als von der Agenda des Gastgebers: Brasilien hat für das Treffen eigene, umfassendere Ziele. Die Regierung von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hofft, die Führungsposition des Landes sowohl innerhalb der Brics als auch unter den Staaten des Globalen Südens zu festigen.
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