Gewerkschaftskonferenz gegen den Krieg

Am Wochenende wir in Salzgitter über Wege aus der Militarisierungsspirale diskutiert

  • Jana Werner
  • Lesedauer: 3 Min.
Konversion in Richtung Rüstungsindustrie: Im bisherigen Görlitzer Schienenfahrzeugwerk von Alstom wird wird der deutsch-französische Rüstungskonzern KNDS künftig Panzer bauen. Dagegen gab es Anfang Mai Protest, der aber keine breite Unterstützung bekam.
Konversion in Richtung Rüstungsindustrie: Im bisherigen Görlitzer Schienenfahrzeugwerk von Alstom wird wird der deutsch-französische Rüstungskonzern KNDS künftig Panzer bauen. Dagegen gab es Anfang Mai Protest, der aber keine breite Unterstützung bekam.

Fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wollen die Nato-Staaten künftig für Verteidigung aufwenden. Industriebetriebe werden zu Rüstungsschmieden umgebaut, und die Bundesagentur für Arbeit mutiert zum Rekrutierungsinstrument der Bundeswehr. Der jüngst erstmals begangene »Veteranentag« soll die Militarisierung in der Mitte der Gesellschaft verankern helfen.

Zugleich ist die Aufrüstung ein Frontalangriff auf die Rechte der Lohnabhängigen. Denn sie verschlingt Mittel, die für den Sozialstaat fehlen. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez machte das im Vorfeld des Nato-Gipfels Ende Juni deutlich. Verteidigungsausgaben in der von dem Bündnis geplanten Höhe seien unvereinbar mit dem Sozialstaat, begründete er gegenüber Nato-Generalsekretär Mark Rutte den Willen seines Landes, die Forderung nach fünf Prozent Militärausgaben nicht umzusetzen.

Diese Zusammenhänge auch deutlich zu machen und den Widerstand gegen die Aufrüstung zu stärken, ist Ziel der dritten Gewerkschaftskonferenz für den Frieden, die am Freitag und Samstag in Salzgitter stattfindet. Die Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Zusammenarbeit mit der örtlichen IG Metall will eine Plattform bieten, um mit Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Strategien gegen die Kriegstüchtigkeit zu entwickeln.

Mit den Linke-Politiker*innen Özlem Demirel, Cem Ince und Julia C. Stange, den Sozialdemokraten Ralf Stegner und Jan Dieren, Gewerkschafter*innen, Wissenschaftler*innen und Journalist*innen sowie dem Podcaster und Buchautor Ole Nymoen ist die Konferenz politisch wie personell breit aufgestellt. In verschiedenen Arbeitsgruppen werden die Auswirkungen der Militarisierung unter anderem auf die Arbeitsmarktpolitik, das Gesundheitswesen und den Bildungssektor thematisiert.

Die Kräfte zu bündeln, ist angesichts der schieren Dimensionen der geplanten Aufrüstung dringend nötig. Denn Militärausgaben von 5 Prozent des BIP würden aktuell 45 bis 47 Prozent des Bundeshaushaltes ausmachen. Und die sozialpolitische »Zeitenwende« bekommt bereits Konturen: So wurde aufgrund knapper Haushaltsmittel die Stromsteuer lediglich für Industriebetriebe und die Landwirtschaft gesenkt – nicht aber für alle Verbraucher, wie es die schwarz-rote Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag noch versprochen hatte.

Zwar gibt es durchaus Protest. Gleichwohl entsteht in einer gesellschaftlichen Atmosphäre aus realen Deindustrialisierungserfahrungen, Angst um den eigenen Arbeitsplatz, Sozialabbau und Rechtsruck ein Klima der Bereitschaft zum Verzicht. Das schwächt den Rückhalt für gewerkschaftliche Forderungen nach Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen.

Auch gewerkschaftliche Tarifpolitik gerät unter den Druck der Zeitenwende: Verteilungskämpfe nehmen zu, wie die Tarifrunde im öffentlichen Dienst zeigte. Gewerkschaftsforderungen wurden als »nicht finanzierbar« zurückgewiesen, und die Beschäftigten, die das Land von Kita bis zur Müllabfuhr am Laufen halten, wurden in eine Schlichtung geschickt. Mit Folgen, denn trotz guter Tarifabschlüsse in den Jahren 2022 und 2023, stellte das gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Institut fest, dass die Reallöhne 2024 auf dem Niveau von 2016 lagen.

Aber Lohnverzicht allein reicht den selbstbewusster gewordenen Unternehmensverbänden und ihrer politischen Lobby nicht mehr. Die alte Platte, dass »wir« zu wenig arbeiten, wurde neu aufgelegt. Zugleich wird verstärkt gegen Migranten und Bezieher von Bürgergeld gehetzt.

Gewerkschaftliche Kämpfe sind also auf friedensstiftende Außenpolitik angewiesen. Je mehr sich verteilungs- und außenpolitische Fragen verschränken, desto stärker müssen Gewerkschaften ihre Rolle als Friedensorganisationen ausfüllen und sich der Militarisierung entgegenstellen. Die Gewerkschaftstage haben gezeigt: Es ist eine breite Debatte im Gange. Daran will die Konferenz anknüpfen.

Die gewerkschaftliche Friedenskonferenz am 11. und 12. Juni in Salzgitter ist ausgebucht, kann aber im Livestream verfolgt werden:
rosalux.de/veranstaltung/es_detail/JHXGV/den-frieden-gewinnen-nicht-den-krieg

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -