Bundespolizei muckt nicht auf

Keine Remonstrationen wegen rechtswidriger Grenzkontrollen

Standhaft im Rechtsbruch: Die Bundespolizei an der deutsch-polnischen Grenze.
Standhaft im Rechtsbruch: Die Bundespolizei an der deutsch-polnischen Grenze.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) führte am 7. Mai 2025 stationäre Grenzkontrollen zu Polen ein, die auch Zurückweisungen von Asylsuchenden erlauben. Keine vier Wochen später entschied das Verwaltungsgericht Berlin in drei Eilverfahren, dass dies gegen europäisches Recht verstößt. Nun teilt das Innenministerium mit: Alle Beamt*innen der Bundespolizei haben die rechtswidrige Weisung umgesetzt, ohne auch nur leisen Protest oder Bedenken zu äußern. Auch innerhalb des Ministeriums habe es keine derartigen Remonstrationen gegeben.

Die Remonstrationspflicht verpflichtet Beamt*innen, Bedenken gegen rechtswidrige Weisungen zu äußern – andernfalls drohen Disziplinarstrafen. Halten die Vorgesetzten dennoch an einer als falsch eingeschätzten Anordnung fest, müssen sich Beamt*innen an die nächsthöhere Führungsebene wenden. Erst wenn auch aus deren Sicht kein Gesetzesbruch zu befürchten ist, muss die Weisung befolgt werden.

Deshalb forderte auch der Bundespolizei-Hauptpersonalrat von Dobrindt eine schriftliche Bestätigung der Rechtskonformität der Grenzkontrollen, um die Remonstrationspflicht aufzuheben. Dem kam das Ministerium aber nicht nach, da – aus seiner Sicht als Dienstherr – die Betroffenen kein Disziplinarverfahren fürchten müssten.

Die Auskunft zu den bedenkenlos gehorchenden Beamt*innen stammt aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Clara Bünger. Darin erkundigte sich die Linke-Politikerin nach der Zahl von Zurückweisungen von Asylsuchenden. Die Kontrollen führten demnach zu 5179 irregulären Grenzübertritten (+585), die Zurückweisungen stiegen auf 3110 Personen (+756).

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Obwohl das Berliner Gericht die Praxis für rechtswidrig erklärte, will Dobrindt daran festhalten. Die Urteile bezeichnete er als Einzelfallentscheidungen, da über die Rechtmäßigkeit der Kontrollen ohnehin nur der Europäische Gerichtshof befinden könne. Allerdings ist unklar, von wem dort ein Verfahren angestrengt werden soll, denn das Verwaltungsgericht traf seine Entscheidung letztinstanzlich.

Das Bundesinnenministerium erklärte auf mehrfache Nachfrage des »nd«, dass Gerichte grundsätzlich Fragen an den Europäischen Gerichtshof weiterleiten können – ob das im konkreten Fall passiert, könne jedoch nur das Verwaltungsgericht selbst entscheiden. Damit bleibt offen, wie es in der Sache juristisch weitergeht. Interessant ist die Frage auch deshalb, da das zuvor SPD-geführte Innenministerium jahrelang ebenfalls die Rechtsauffassung vertreten hat, dass direkte Zurückweisungen von Asylsuchenden rechtlich nicht zulässig seien.

Die Fragestellerin Clara Bünger hält den Gehorsam in der Bundespolizei für sehr bedenklich. Niemand bei den Behörden wolle wohl die Karriere riskieren, vermutet die Abgeordnete. »In einer Demokratie brauchen wir aber einen unabhängigen, kritischen Widerspruchsgeist – auch und gerade innerhalb der Sicherheitsbehörden. Die Remonstrationspflicht ist schließlich auch eine Lehre aus der deutschen NS-Geschichte.«

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.