Gewerkschaften in Spanien: »Sechs von La Suiza« inhaftiert

Spanische Gewerkschafter treten nach friedlichem Protest vor Konditorei Haftstrafen an

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.
Protest für die Freilassung der »Sechs von La Suiza« vergangene Woche in Madrid
Protest für die Freilassung der »Sechs von La Suiza« vergangene Woche in Madrid

»Wir haben es mit einer reaktionären Welle zu tun«, sagt die ehemalige andalusische Podemos-Chefin Teresa Rodríguez gegenüber »nd«. Heute ist Rodríguez Vorsitzende von Vorwärts Andalusien, einer Partei die sich für die Autonomie Andalusiens einsetzt. Sie hat bei ihren Worten vor allem die Verhaftungswelle nach dem Metallarbeiterstreik in ihrer Heimat Cádiz und die gerade erfolgte Inhaftierung von sechs Aktivist*innen der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT in Asturien vor Augen.

Als die fünf Frauen und der Mann, die als die »Sechs von La Suiza« bekannt sind, am vergangenen Donnerstag in Gijón die gegen sie verhängte dreieinhalbjährige Haftstrafe antreten mussten, protestierten in der Hafenstadt Hunderte Menschen dagegen. »Genossinnen, ihr seid nicht allein«, schallte es landesweit durch viele Straßen und über viele Plätze. 22 Gewerkschaften und etliche Organisationen fordern eine Begnadigung der Aktivist*innen. Zuletzt hat sich, nach massivem Druck von der Straße, auch die Vize-Regierungschefin Yolanda Díaz der Forderung angeschlossen.

Die Vorgänge, mit denen die Verhaftgungen begründet werden, liegen acht Jahre zurück. Zwischen Mai und September 2017 hielt die CNT vor der Konditorei »La Suiza« im asturischen Gijón friedliche Kundgebungen ab. Zuvor hatte sich eine Beschäftigte wegen »Belästigungen« am Arbeitsplatz an die Gewerkschaft gewandt.

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Richter Lino Rubio hatte in seinem Urteil ausgeführt, dass die CNT-Aktionen die Schließung der Konditorei provoziert hätten. Dabei ist aus Steuererklärungen der Konditorei bekannt, dass sie längst unrentabel war und deshalb schon etwa ein Jahr vor der Entscheidung zum Verkauf stand.

Die Sprecherin der Unterstützungsvereinigung Sofitu, Herminia González, betonte vergangene Woche erneut, dass die Aktivist*innen »zu Unrecht im Gefängnis« säßen. Sie hätten nur »Gewerkschaftsarbeit« gemacht und eine »Genossin verteidigt«. Man werde weiter für ihre Freiheit kämpfen, sagte González. Die CNT ist inzwischen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gezogen.

Auch die großen spanischen Gewerkschaften sehen einen gefährlichen Präzedenzfall. Der Generalsekretär der Arbeiterunion in Asturien, Javier Fernández Lanero, erklärte: »Wir dürfen nicht zulassen, dass die Verteidigung von Rechten bestraft wird«, sonst gebe es »keine Freiheit und Demokratie« mehr.

Rodríguez verweist darauf, dass gerade unter der »progressiven Regierung«, wie Regierungschef Pedro Sánchez sie nennt, die Repression verschärft wurde. Das zeigt nicht nur die Verhaftung der »Sechs von La Suiza« auf, sondern auch die Verhaftungswelle nach einem Metallerstreik in Andalusien aufmerksam.

Drei Wochen dauerte der Streik für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen, bei dem es auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Nach Streikende wurden bisher 25 Menschen festgenommen und Kautionen für ihre Freilassungen von bis zu 40 000 Euro verhängt.

Zwar sei die Polizei schon früher mit Gummigeschossen und Knüppeln gegen Streiks vorgegangen, eine solche Verhaftungswelle sei aber neu, erklärt Rodríguez. Sie befürchtet, dass Metaller ebenfalls weggesperrt werden könnten, und wirft der Regierung »Feigheit« vor. »Eigentlich müsste eine progressive Regierung soziale Rechte ausweiten und demokratische Rechte schützen«, so Rodríguez.

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