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Sozialstaat ausmerzen
Sarah Yolanda Koss über neue Vorstöße gegen das Bürgergeld
Popquiz, Kategorie Wohnen: »Wenn Sie das mal hochrechnen, das sind bei 100 Quadratmetern schon 2000 Euro im Monat. Das kann sich eine normale Arbeitnehmerfamilie nicht leisten.« Wer hat’s gesagt? a) Bärbel Bas, b) Caren Lay oder c) Friedrich Merz? Klassenkampf betreibt hier … Friedrich Merz. Allerdings von oben, schließlich ist seine Schlussfolgerung aus überhöhten Mieten nicht die naheliegende – dass diese sinken sollten –, sondern dass der Staat zu hohe Wohnausgaben für Menschen im Bürgergeldbezug trägt. Und das sind die Kosten, die Merz senken will.
Dabei übernimmt das Jobcenter ohnehin nur Wohnkosten in sogenannter »angemessener Höhe«, die die ortsübliche Mietobergrenze nicht übersteigen. Günstigere Wohnungen sind schwer zu finden. Das zeigen die zwölf Prozent der Bürgergeldbeziehenden, die bereits jetzt einen Teil ihrer Miete selbst zahlen müssen – im Schnitt 118 Euro – und dafür Schulden in Kauf nehmen oder an anderer Stelle im Regelsatz sparen müssen. Zum Beispiel am Essen.
Einmal Advocatus Diaboli gespielt: Haben Merz etwa die Argumente diverser Expert*innen überzeugt, laut denen sich durch Bürgergeldsanktionen deutlich weniger sparen lässt, als von der Bundesregierung angedacht? Will er deshalb das Geld bei den Wohnkosten abgreifen? Falls ja, dann hier noch mehr Fakten für Merz und Co.: Laut dem Institut für Arbeits- und Berufsforschung machen sich über die Hälfte der Bürgergeldbeziehenden mit »angemessenen Wohnkosten« Sorgen, ihre Wohnung zu verlieren. Bei jenen mit höheren Wohnkosten sind es 70 Prozent.
Kürzungen hätten genau ein Ergebnis: mehr Obdachlosigkeit. Das verhilft der »normalen Arbeitnehmerfamilie« auch nicht zur Bleibe ihrer Träume. Helfen würden mehr Sozialwohnungen anstelle dieses Bürgergeld-Bullshit-Bingos.
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