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BSW als Beobachtungsfall: Falscher Alarm
Wolfgang Hübner über Forderungen, das Bündnis Sahra Wagenknecht vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen
Als waberte nicht schon genügend Unfug durch den politischen Raum, wird jetzt von ein paar Leuten aus CDU, FDP und Grünen gefordert, das Bündnis Sahra Wagenknecht vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Die vermeintlichen Anlässe sind läppisch bis nichtig, die Absender der Forderungen sitzen in der zweiten bis vierten Reihe ihrer Parteien.
Immerhin hat sich der »Spiegel« dieser Albernheit in Form einer Nachricht erbarmt, was sie aufgeblasener, aber nicht gewichtiger macht. Das BSW bewegt sich mit seinem bunt zusammengewürfelten Programm in einem Bereich irgendwo zwischen Linke (Teile der Sozialpolitik) und rechtem CDU-Flügel (Asyl und Migration) und hat der Politik nichts Neues hinzuzufügen – außer der Behauptung, diese Mischung sei etwas Originelles. Der Kapitalismus wird nicht infrage gestellt, sondern soll nur ein bisschen verschönert werden. Wo das BSW mitregiert, fügt es sich letztlich weitgehend den Koalitions- und sogenannten Sachzwängen und macht bedeutend weniger Ärger als die FDP seinerzeit in der Ampel.
Bleibt nur die Vermutung, dass der absurde Vorstoß in Richtung Geheimdienstbeobachtung etwas mit dem Widerstand des BSW gegen Hochrüstung und Kriegstüchtigkeit zu tun hat, bei dem es sich gern zur »einzig wahren Friedenspartei« stilisiert. Aber was ist gefährlicher: sich gegen die Militarisierung zu wenden oder mit irrsinnigen Rüstungsplänen inklusive all ihren Folgen das soziale und demokratische Gemeinwesen zu gefährden?
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Sollte die Absicht darin bestehen, die Wagenknecht-Partei als aussätzig in die Ecke zu stellen, dann wird der Effekt das Gegenteil sein. Gerade nimmt die Partei nach langer strenger Restriktion mehr Mitglieder auf, und die Empörung über die Drohung mit dem Verfassungsschutz wird ihr mehr Interesse und Interessenten bescheren.
Hinzu kommt: Alles, was man über das BSW erfahren möchte, kann man diversen öffentlich zugänglichen Medien entnehmen. Um sich eine Meinung darüber zu bilden, braucht man keinen Geheimdienst. Wer sich mit dem BSW auseinandersetzen will, kann das mit den üblichen politischen Mitteln tun. Wenn man irgendwelche mehr oder weniger absonderlichen Äußerungen und Aktivitäten zum Maßstab macht, müsste man praktisch jede Partei in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachten lassen. Der aber hätte alle Hände voll zu tun, sich mit den wirklichen Gefahren für die Demokratie zu beschäftigen. Und die lauern in erster Linie ganz rechts außen.
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