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Ukraine: Korruptionsermittler im Visier

Wolodymyr Selenskyjs Team festigt seine Macht immer weiter und geht hart gegen jede Opposition vor

Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU wird immer mehr zu Schwert und Schild des Präsidentenbüros.
Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU wird immer mehr zu Schwert und Schild des Präsidentenbüros.

Ihr Auftreten war fast so martialisch wie ihre Sprache. Am Montagmorgen drangen schwerbewaffnete Einheiten des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU in die Wohnungen mehrerer Mitarbeiter des Nationalen Antikorruptionsbüros der Ukraine (Nabu) ein. Ihre Aufgabe: eine »Sonderoperation zur Neutralisierung des russischen Einflusses auf das Nabu« und das Aufspüren russischer »Maulwürfe«. Zeitgleich, so berichtet das Zentrum für Korruptionsbekämpfung, führte der SBU gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft auch Durchsuchungen bei Ermittlern der Sonderstaatsanwaltschaft für Korruption durch.

Die Vorwürfe des SBU wirken wie aus dem Lehrbuch des sowjetischen KGB, auch wenn nie auszuschließen ist, dass ein Fünkchen Wahrheit dabei ist. So soll Ruslan Magamedrasulow, Leiter einer überregionalen Abteilung des Nabu in den Gebieten Saporischschja und Dnipropetrowsk, nahe und an der Front, »Handel mit dem Aggressorstaat« betreiben, über seinen Vater, der einen russischen Pass hat, technisches Hanf nach Dagestan verkaufen. Die Mutter wiederum soll Rente aus der »Volksrepublik Luhansk« beziehen. Führungsoffizier Magamedrasulow soll angeblich der Oppositionsabgeordnete Fedir Chrystenko sein, den Russlands FSB bereits vor Jahren angeworben haben soll. Dass bei den Beschuldigten Rubel gefunden wurden, versteht sich von selbst.

Das Nabu wiederum revanchierte sich für die Durchsuchungen mit einer neuen Anschuldigung gegen einen hohen SBU-Beamten. Er soll von einem Verdächtigen, der wehrfähige Männer außer Landes brachte, 300 000 US-Dollar erpresst haben. Fast fühlt man sich zurückversetzt in die Endphase der Sowjetunion, als verschiedene Machtministerien offen gegeneinander um Einfluss kämpften – mit Intrigen und Waffengewalt.

Machtkämpfe erinnern an die späte Sowjetunion

In der Ukraine des Jahres 2025 bleibt es vorerst bei Intrigen. Dass der SBU gegen die Korruptionsbekämpfer zuschlagen könnte, hatte sich bereits in den vergangenen Tagen angedeutet. Schon als die Ermittlungen gegen Vizepremier und Selenskyj-Freund Olexij Tschernyschow aufgenommen wurden, mutmaßten viele, der Präsident werde Tschernyschow schützen und stattdessen die Korruptionsermittler verfolgen lassen.

Das musste vor wenigen Tagen auch Witalij Schabunin erfahren. Als Leiter des Zentrums für Korruptionsbekämpfung hat sich Schabunin einen Namen in der Ukraine gemacht und an vielen Anti-Korruptions-Gesetzesentwürfen mitgewirkt. Nach Beginn des Krieges schloss er sich 2022 der Armee an, soll aber laut Anklage unerlaubt seinen Posten verlassen und über Monate widerrechtlich seinen Sold kassiert haben. Außerdem soll er einen 20 Jahre alten Geländewagen zweckentfremdet haben. Laut Schabunin alles erlogen. Darija Kalenjuk, Mitbegründerin des Zentrums für Korruptionsbekämpfung, spricht von Willkür und politischer Verfolgung. Schabunin sieht das Problem an der Spitze des Staates. »Korrupter Autoritarismus ist, wenn der Präsident und seine Männer stehlen und tun, was sie wollen, und sie dafür nicht ins Gefängnis kommen oder kritisiert werden«, beschrieb Schadunin die Situation gegenüber der »Ukrajinska Prawda«.

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Die Razzien bei Nabu und Sonderstaatsanwalt für Korruption sowie das Verfahren gegen Schabunin, da sind sich Beobachter sicher, dienen nur einem Ziel. Selenskyj will alle Institutionen, die nach dem Euromaidan auf Initiative der USA zur Kontrolle der Ukraine gegründet wurden, seinem Präsidialbüro unterwerfen oder zerschlagen. Die Zustimmung des Parlaments zu diesem Kurs gilt als sicher. Das Nabu entstand als unabhängiges Organ 2015 und ist für Ermittlungen zur Korruption unter Eliten zuständig. Das Zentrum für Korruptionsbekämpfung wird gut zur Hälfte aus den USA finanziert. Zugleich ist das aktuelle Vorgehen auch ein Fingerzeig an im Ausland sitzende und von dort finanzierte Oppositionelle. Einfluss von außen soll es nicht mehr geben.

Trumps Wahlsieg löst Verfolgung in der Ukraine aus

Ausschlaggebend für die Entwicklung, sind Beobachter überzeugt, war der Wahlsieg Donald Trumps im vergangenen Jahr. Mit der Schwächung der US-Demokraten sank auch die Kontrolle über die Ukraine. Trump, der die Ukraine als Rohstofflieferant und Businessmodell versteht und sich politisch so schnell wie möglich zurückziehen möchte, sind die Kontrollkonstrukte in der Ukraine komplett egal. Ein Umstand, den das Präsidialbüro immer mehr ausnutzt.

Mit Trump im Weißen Haus ist auch der letzte westliche Staat weg, der zumindest ein bisschen kritisch auf das Geschehen in Kiew schaute. Jetzt kann man sich seiner Sache sicher sein. Befürchtungen, dass sich jemand aus der EU skeptisch zur Zerschlagung der Antikorruptionsstrukturen äußern wird, braucht man nicht haben. Solange es gegen Russland und Putin geht, kann Selenskyj aus Sicht der Europäer agieren, wie er will.

Dabei geriet sein zunehmend autoritärer Führungsstil zuletzt immer stärker in die Kritik. Vor allem englischsprachige Medien schrieben für nicht Ukrainisch oder Russisch sprechende Menschen auf, was in der Ukraine schon länger gesagt wird: Die Menschen haben den Glauben an Selenskyj verloren. »Die Ukraine hat zwei Feinde, zwei Wladimirs: Selenskyj und Putin«, zitiert der britische »Spectator« einen ehemaligen ukrainischen Minister und Selenskyj-Anhänger. »Putin zerstört die Ukraine von außen und Selenskyj zerstört sie von innen. Die Menschenrechte werden mit Füßen getreten, auf politische Gegner wird Druck ausgeübt, reiche und einflussreiche Personen, die die Opposition unterstützen könnten, werden enteignet und die oppositionellen Medien werden zum Schweigen gebracht. Und die Ironie dabei ist, dass diese Putinisierung der Ukraine vom Westen finanziert wird«, lautet das vernichtende Urteil.

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