Abgeordnete bei Maja T.: »Damit die Aufmerksamkeit nicht sinkt«

Bundestagsabgeordnete dreier Parteien besuchen Maja T. in ungarischer Haft

Die Bundestagsabgeordneten Luke Hoß, Sebastian Roloff und Helge Limburg (v.l.n.r.) informierten am Dienstag in Berlin.
Die Bundestagsabgeordneten Luke Hoß, Sebastian Roloff und Helge Limburg (v.l.n.r.) informierten am Dienstag in Berlin.

Eine interfraktionelle Delegation aus drei Bundestagsabgeordneten – Sebastian Roloff (SPD), Helge Limburg (Grüne) und Luke Hoß (Die Linke) – hat die Thüringer Antifaschist*in Maja T. am Montag in einem ungarischen Haftkrankenhaus besucht und berichtete darüber am Dienstag in einem Pressegespräch. Die Initiative ging von der Linksfraktion aus, nachdem T. vergangene Woche einen 40-tägigen Hungerstreik beendet hatte.

Vor einem Jahr war die non-binäre Aktivist*in in einer nächtlichen Blitzaktion mit einem Polizeihubschrauber aus der JVA Dresden nach Ungarn gebracht worden. Das Berliner Kammergericht genehmigte die Auslieferung, tags darauf erklärte sie das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren für rechtswidrig – allerdings zu spät. Auch in einem späteren Hauptsacheverfahren wurde die Maßnahme als grundrechtswidrig und als ein Verstoß gegen das Folterverbot der EU-Grundrechtecharta eingeordnet.

Der zweistündige Besuch der drei Abgeordneten bestätigte Berichte über erschreckende Haftbedingungen für Maja T. – obwohl Ungarn im Auslieferungsverfahren auf Anfrage des Kammergerichts das Gegenteil zugesagt hatte. Die vor der Auslieferung gegebenen ungarischen Garantien für eine menschenrechtskonforme Behandlung seien »nichts wert«, so Luke Hoß. Die 24-jährige Aktivist*in schreibe sich etwa die Finger wund, da keine Schreibmaschine genehmigt werde. Auch der Wunsch, das Abitur nachzuholen, um nach einem Urteil zu einer Haftstrafe ein Fernstudium beginnen zu können, werde verweigert.

Das Gericht argwöhnte eine anhaltende Flucht- und Wiederholungsgefahr, da Maja T. »in linke Strukturen eingebunden« sei, die auch Geld sammelten.

Zu den Umständen der Blitzauslieferung sagte Limburg: »Mir ist kein vergleichbarer Fall bekannt, in dem eine Überstellung an einen anderen europäischen Staat in dieser Geschwindigkeit erfolgt ist.« Die zeitliche Abfolge deute darauf hin, dass der Bundesverfassungsgericht-Eilentscheidung zuvorgekommen werden sollte.

Ein aktueller Bericht der »Taz« bestätigt das: Bereits acht Tage vor dem Gerichtstermin planten Berlin und Sachsen unter »strikter Geheimhaltung« die Auslieferung, um »gewalttätigen Protesten« zuvorzukommen. Während alle Behörden sofort informiert wurden, hätten Majas Verteidiger erst nach Feierabend vom Gerichtsbeschluss erfahren. Um 2 Uhr nachts wurde Maja aus der Zelle geholt – auch Vater Wolfram Jarosch wusste davon nichts und wartete am frühen Morgen vergeblich vor der JVA in Dresden.

Die Abgeordneten fordern nun eine umfassende politische Aufarbeitung der Abläufe. Die beteiligten Länder Sachsen und Berlin müssten zur Aufklärung beitragen. Außenminister Johann Wadephul (CDU) wird aufgefordert, sich stärker für eine Rücküberstellung einzusetzen.

Die Bundesregierung habe »den Ernst der Lage verstanden«, vermutete der SPD-Politiker Roloff. Am Dienstag vergangener Woche soll dazu Géza Andreas von Geyr, ein Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, am Dienstag bei der Regierung in Budapest vorstellig geworden sein. Auf der Plattform X spricht Julia Gross, deutsche Botschafterin in Budapest, dazu aber eine andere Sprache: Demnach sei von Geyr mit ungarischen Ministern und einem Staatssekretär zusammengetroffen. »Seine Botschaft: Einigkeit ist der Schlüssel«, schreibt die deutsche Diplomatin.

Die Linke will ihre Besuche bei Maja T. verstetigen, damit auch im Sommerloch »die Aufmerksamkeit nicht sinkt«, so Hoß. Auch Limburg und Roloff kündigten weitere Reisen nach Ungarn an, um den Druck auf die Bundesregierung aufrechtzuerhalten.

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Unterdessen setzt sich auch Vater Wolfram Jarosch weiter für die Rückholung ein. »Ich fordere den deutschen Außenminister Herrn Dr. Wadephuhl und den Präsidenten Ungarns Herrn Dr. Sulyok Tamás auf, Majas Isolationshaft zu beenden und eine sofortige Rücküberstellung nach Deutschland zu ermöglichen«, schrieb der Jenaer Biologielehrer am Montag. Dazu hatte Jarosch dem Auswärtigen Amt bereits eine Petition mit über 100 000 Unterschriften übergeben. Den Prozess in Ungarn bezeichnete er als »Rachejustiz«.

Nach einem Protestmarsch zu Fuß von Jena nach Berlin läuft Jarosch derzeit hungernd 800 Kilometer von Dresden nach Budapest – als »Einsatz für Gerechtigkeit«. Am Donnerstag kommt er in Österreichs Hauptstadt an, weiter will er dann über Bratislava nach Budapest.

Bei Ungarns Behörden beißt auch Jarosch bislang auf Granit: Ein Antrag auf Entlassung von Maja T. in Hausarrest hat das Budapester Stadtgericht am Freitag abgelehnt, da diese »nicht das geringste Anzeichen einer freiwilligen Unterwerfung zeigt«. Unterstützer*innen und der Vater hatten für die mögliche Entlassung aus dem Gefängnis bereits eine Wohnung angemietet und erklärt, eine Kaution zahlen zu können.

Das Gericht argwöhnte indes eine anhaltende Flucht- und Wiederholungsgefahr, da Maja T. »in linke Strukturen eingebunden« sei, die auch Geld sammelten, berichtet die Solidaritätsgruppe BASC. Auch die familiäre Unterstützung und öffentliche Kundgebungen belegten dies. Zudem habe sich die Beschuldigte in Deutschland nicht freiwillig gestellt und betone öffentlich, dass Ungarn aufgrund der rechtswidrigen Auslieferung nicht zuständig sei. Das hohe Strafmaß von bis zu 24 Jahren verschärfe laut Behörden die Gefahr, dass Maja T. sich dem Verfahren entziehe – nur die Untersuchungshaft könne dem entgegenwirken.

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