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  • PCK-Raffinerie in Schwedt

Herz-Rhythmus-Störung der Raffinerie

Wieder Erfolgsmeldungen und Hiobsbotschaften nach der jüngsten Sitzung der Taskforce Schwedt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
PCK-Geschäftsführer Ralf Schairer begrüßt im Mai Ministerpräsident Dietmar Woidke bei einer Demonstration zur Rettung der Raffinerie.
PCK-Geschäftsführer Ralf Schairer begrüßt im Mai Ministerpräsident Dietmar Woidke bei einer Demonstration zur Rettung der Raffinerie.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erinnert sich gut an Unkenrufe, mit dem ab Januar 2023 geltenden Importverbot für russisches Erdöl werde die PCK-Raffinerie in Schwedt sterben. Noch lebt sie – und das ist tatsächlich erst einmal eine gute Nachricht. Denn die Sanktionen gegen Russland hätten das Ende des Betriebs bedeuten können. So wie es jetzt irgendwie läuft, »das hätte uns niemand zugetraut«, meint Woidke. Er nennt die Raffinerie »Herz und Rückgrat« der Region.

Positive Botschaften sind allerdings nach allen sechs Sitzungen der 2022 eingesetzten Taskforce zur Rettung der Raffinerie ausgesendet worden. Das war am späten Dienstagnachmittag nach der siebten Sitzung nicht anders. Die im Juni wieder einmal verlängerte Beschäftigungsgarantie für die Belegschaft, die nun vorerst bis Jahresende gilt, darf durchaus als Erfolg verkauft werden. Doch unter den Beschäftigten rumort es. Nicht wenige wünschen sich ein Ende der Sanktionen und wieder russisches Erdöl. Sie sehen für sich selbst und die Lehrlinge keine andere Chance, die Jobs in der Raffinerie bis zur Rente zu behalten.

Dass die kanadische Firma CEP vor der Ostseeinsel Usedom – rund sechs Kilometer von der polnischen Stadt Swinoujscie entfernt – ein riesiges Ölfeld entdeckt haben will, versetzt PCK-Geschäftsführer Ralf Schairer keineswegs in Hochstimmung. Bedauernd beziffert er am Dienstag den jährlichen Verbrauch Deutschlands mit 90 Millionen Tonnen. »Kaum nennenswert« sei da ein Vorkommen von 33 Millionen Tonnen. »Man nimmt es zur Kenntnis, mehr nicht.«

Schairer selbst hat aber eine gute Nachricht: Der Auslastungsgrad der Raffinerie sei im ersten Halbjahr 2025 um sechs Prozentpunkte auf 84 Prozent gestiegen. Der PCK-Geschäftsführer zeigt sich zuversichtlich, dass dieses Niveau im zweiten Halbjahr gehalten werden könne. Vor allem eine nochmals erhöhte Liefermenge aus Kasachstan habe dazu beigetragen.

»Das Zögern und Zaudern muss ein Ende haben, so werden Arbeitsplätze und Perspektive für die Region nicht gesichert.«

Christian Görke Bundestagsabgeordneter

Kasachisches Öl ist von so hoher Qualität wie das sibirische, das die Raffinerie von 1964 bis Ende 2022 gewohnt war. Seitdem verarbeitet der Betrieb jedoch viele verschiedene Sorten Öl minderer Qualität. Das verursacht nicht nur einen grenzwertigen Schadstoffausstoß, für den eine Ausnahmegenehmigung erteilt ist. Es verstopfe auch die Anlagen und das häufig notwendige Reinigen treibe die Kosten in die Höhe, verrät ein Ingenieur dem »nd«. Der Mann sagt, was auch der Betriebsrat schon angemerkt hat: »Wir schreiben rote Zahlen.« Viele Kollegen fürchteten um ihren Arbeitsplatz. Die einzigen Politiker, die sich wirklich kümmerten, seien der Landtagsabgeordnete Reinhard Simon (BSW), der eine Protestkundgebung am 7. Mai auf die Beine stellte, und der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke), der mehrfach nach Astana flog, um kasachisches Öl herbeizuschaffen.

»Das Zögern und Zaudern muss ein Ende haben, so werden Arbeitsplätze und Perspektive für die Region nicht gesichert«, erklärt Görke am Dienstagabend. »Wenn Bundesregierung und Land Brandenburg auf den Verkauf der Rosneft-Anteile nicht hinwirken können oder wollen, müssen sie bei den Shell-Anteilen zugreifen. Sie sichern die Sperrminorität und damit die Mitbestimmung auf dem zukünftigen Weg des PCK zu einer grünen Raffinerie«, verlangt Görke. »Die Treuhand-Lösung bleibt ein Spiel auf Zeit.«

54 Prozent der Anteile an der PCK Raffinerie GmbH hält nach wie vor der russische Staatskonzern Rosneft. Der hatte zwar signalisiert, dass er verkaufen würde. Doch bisher kam bei Verhandlungen darüber nichts heraus. Auch der Shell-Konzern wollte seinen 37,5-Prozent-Anteil loswerden und war sich Ende 2023 schon handelseinig mit der britischen Prax-Gruppe. Doch dann platzte dieser Deal.

Wegen Russlands Angriffs auf die Ukraine stehen die Rosneft-Anteile unter Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur. Doch Rosneft sei nicht enteignet und die Bundesrepublik könne den Konzern nicht zwingen, seine Anteile abzutreten, erklärt Frank Wetzel – Staatssekretär von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Wetzel hat in der Taskforce die Stelle von Michael Kellner eingenommen, dem Staatssekretär des alten Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne).

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Auf Habeck sind sie in Schwedt nicht gut zu sprechen, weil er Versprechungen nicht gehalten haben soll. Habeck hatte 2022 vorbeigeschaut, als sich das Importverbot für russisches Öl abzeichnete. Er war auf einen Tisch gestiegen und hatte den »vollumfänglichen« Weiterbetrieb der Raffinerie zugesichert. Als Ministerpräsident Woidke am 7. Mai 2025 bei einer Kundgebung in Schwedt wagte, Habeck für dessen Einsatz zu danken, gab es Buhrufe.

Nun dankt Woidke dem neuen Staatssekretär Wetzel, der nach seiner ersten Taskforce-Sitzung zusichert: »Wir arbeiten weiter an der Zukunft des Standortes.« Die fossilen Brennstoffe sind endlich, weshalb an einem Strukturwandel langfristig kein Weg vorbeiführt. Die Raffinerie will Platz auf ihrem Industriegelände für Investoren zur Verfügung stellen. Es gebe mehr als einen Interessenten, sagt Geschäftsführer Schairer. Die Flächen beispielsweise zu verpachten, dafür sei vom Bund jetzt grünes Licht gekommen.

Dagegen bewegt sich weiterhin nichts bei der Ertüchtigung der Pipeline von Schwedt zum Ostseehafen Rostock. Die Leitung ist einst gebaut worden, um Kraftstoffe zum Verschiffen nach Rostock zu pumpen. Nun wird sie in umgekehrter Richtung für das Heranschaffen von Rohöl benutzt, stößt aber an ihre Kapazitätsgrenzen. Die 400 Millionen Euro staatliche Beihilfe für die Ertüchtigung – der Bund steht zu seiner Zusage – werden jedoch von der EU-Kommission bislang nicht genehmigt, weil die EU eine derart satte Aufwendung zugunsten einer privaten Firma als unzulässige Wettbewerbsverzerrung wertet.

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