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Japan und USA: Schadensbegrenzung in Fernost
Japan schließt Handelsdeal mit den USA und steuert auf Regierungskrise zu
Donald Trump scheint höchst zufrieden zu sein. »Wir haben gerade einen riesigen Deal mit Japan abgeschlossen, vielleicht den größten jemals«, schwärmte der US-Präsident am Dienstagabend (Ortszeit) auf seiner eigenen Medienplattform. »Dieser Deal wird Hunderttausende Jobs schaffen – so etwas hat es noch nie gegeben.« Denn nun werde der Handel zwischen der größten und der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt wieder florieren. »Das ist eine sehr aufregende Zeit für die Vereinigten Staaten«, findet Trump.
Dass es auf der anderen Seite des Verhandlungstischs, wo man sich mit Kommentaren zurückhält, genauso gesehen wird, darf bezweifelt werden. Seit Trump zum zweiten Mal Präsident wurde, hat er diversen Staaten mit einem Handelsüberschuss gegenüber den USA Extrazölle aufgebürdet, um neue Bedingungen durchzusetzen. Nach Großbritannien, Vietnam, Indonesien und den Philippinen hat er dies nun auch mit Japan erreicht.
Auf den ersten Blick sorgt das Ergebnis für Nippons Wirtschaft – die ab April mit Pauschalzöllen von 25 Prozent für die Einfuhr von Gütern in die USA konfrontiert gewesen ist – für Erleichterung. Denn künftig dürfte, sofern es sich der US-Präsident nicht wieder anders überlegt, immerhin Klarheit herrschen. Entsprechend raste Japans Aktienleitindex Nikkei-225 am Mittwoch in die Höhe.
»Hätte der Premierminister den Deal vor der Oberhauswahl abgeschlossen, hätte seine Partei womöglich besser abgeschnitten.«
Kazuta Maeda Ökonom
Doch blickt man auf die bekanntgewordenen Details, steht Japan – das seit Ende des Zweiten Weltkriegs der wichtigste diplomatische, ökonomische und militärische Partner der USA in Asien gewesen ist – als Verlierer da. Künftig werden Pauschalzölle in Höhe von 15 Prozent anfallen, also weniger als die von Trump angedrohten 25 Prozent, die teils zu schon bestehenden Zöllen addiert werden mussten, aber deutlich mehr als noch im vergangenen Jahr.
Auf vielen Feldern sind Details des Deals nicht bekannt, womöglich nicht fertig verhandelt. Dem Vernehmen nach hat aber Japan als bereits größter Auslandsinvestor in den USA zugesagt, 550 Milliarden US-Dollar dort zu investieren. Zölle in Höhe von 50 Prozent, die die USA auf Stahl- und Aluminiumimporte erheben, sollen bleiben. Premierminister Shigeru Ishiba hat wiederum betont, dass es für die besonders wichtigen Autoexporte aus Japan in die USA keine neuen Höchstmengen geben solle. Zudem werden hier die aktuellen Zölle laut dem Regierungschef halbiert. Zusammen mit dem bereits zuvor geltenden Zollsatz von 2,5 Prozent ergibt sich so der neue Zollsatz von 15 Prozent. Japan sei das erste Land der Welt, »das eine Senkung der US-Zusatzzölle auf Autos und Autoteile ohne Begrenzung oder Beschränkungen bei der Menge« erreicht habe, erklärte Ishiba.
Ishiba sagte am Mittwoch zu Pressevertreter*innen: »Wir haben Verhandlungen aufgenommen, um zu schützen, was geschützt werden muss, und um eine Einigung zu erzielen, die den nationalen Interessen beider Nationen gerecht wird.« Und womöglich um Schadensbegrenzung zu betreiben, fügte er hinzu: »Dies ist der niedrigste Zollsatz unter den Ländern, die Handelsüberschüsse mit den Vereinigten Staaten haben.«
Die monatelange Hängepartie, in der Japans Exporte in die USA stark eingebrochen sind und die japanische Volkswirtschaft insgesamt in Mitleidenschaft gezogen worden ist, hat aber auch die politische Unsicherheit weiter befeuert. Shigeru Ishiba hatte mit seiner konservativen Liberaldemokratischen Partei (LDP) schon im Oktober die Mehrheit im Unterhaus verloren, am vergangenen Sonntag verlor er dann auch jene im Oberhaus. Hierfür sind Skandale innerhalb der LDP mitverantwortlich, ebenso Inflation und fallende Reallöhne.
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Aber auch das Risiko, dass Japans auf so vielen Ebenen wichtigster Partner nun weniger wie ein Partner aussieht, hat Ishibas Minderheitsregierung belastet. »Dieser Deal verringert die Gefahr einer Rezession«, erklärte Kazuta Maeda, Ökonom am Institut Meiji Yasuda, der Nachrichtenagentur Reuters. Aber das Timing sei unglücklich. »Hätte der Premierminister den Deal vor der Oberhauswahl abgeschlossen, hätte seine Partei womöglich besser abgeschnitten.«
Nun nimmt Ishiba offenbar seinen Hut: Mehrere Medien berichten übereinstimmend, dass der Premier Vertrauten gesagt habe, seinen Rücktritt einzuleiten. In Japan – wo nach dem Zweiten Weltkrieg fast immer die LDP mit einer deutlichen Mehrheit regiert hat – käme damit nach kaum zehn Monaten das Experiment einer Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten an ihr Ende.
Damit steht Japan vor politisch höchst turbulenten Zeiten. Indem keine Partei oder etablierte Parteienkoalition über eine Mehrheit im Parlament verfügt, wäre bis auf Weiteres auch unklar, welche Partei den neuen Premierminister stellen könnte. Die LDP ist zwar stärkste Kraft, dürfte es aber ohne deutliche Zugeständnisse – etwa beim Umgang mit Ausländern, was bei der Oberhauswahl großes Thema war und rechten Parteien Zuwächse beschert hat – schwerhaben, einen Kandidaten durchzubringen.
So sieht das Bild am Ende dieser Verhandlungen zwischen den USA und Japan eher asymmetrisch aus. Trump hat in seinem Statement noch gestrahlt: »Wir werden weiterhin für immer eine großartige Beziehung mit dem Land Japan haben.« Doch dort hat das Ansehen der USA zuletzt arg gelitten. In diversen Sektoren von Wirtschaft bis Verteidigung schauen sich Entscheider nach neuen Partnern um. Und der Premierminister zieht sich – nun wohl geprügelt – zurück.
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