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Im Riegelrausch
Wie viel Zucker verträgt mein Körper wirklich? Zwischen Leistungssteigerung und Bauchgrummeln liegt manchmal nur ein einziger Happen.
Ich sitze auf dem Rad, mein Trikot klebt und meine Finger auch. Ich kaue. Nicht weil ich Hunger habe, sondern weil ich muss: »Von Beginn an verpflegen, 70 bis 80 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde«, das hat mir mein Trainer Marcel in den Trainingsplan geschrieben. Bloß keinen Hungerast riskieren, stattdessen »Fueling«! Also schiebe ich mir Süßmolkeriegel Nummer vier rein, auch wenn meine Bauchspeicheldrüse wenig begeistert von dieser Glukose-Betankung sein dürfte. Was soll’s: Im September steht mein erster Triathlon an, ich kann mir keine Fehler mehr erlauben.
Auf dem Papier klingt’s ja logisch: Energie rein, Leistung raus. Aber hier draußen auf der einsamen Waldstraße zwischen Lehnitz und Summt lechze ich nach klarem Wasser, während ich Marcels Programm »Zwei Stunden flotte Aero-Miles« auf dem Rennrad abspule. Denn weil die dm-Riegel viel zu wenig Kohlenhydrate haben, hab ich lieber noch Traubenzucker in meine Wasserflaschen gerührt. Carbs, carbs, carbs! Die Völle-Diät.
nd-Redakteur Jirka Grahl probiert Neues, zum Auftakt Triathlon. 1500 m Schwimmen, 43 km Rad, 10 km Lauf. Am 14.9. ist Wettkampfpremiere: beim Fehmarn-Triathlon.
Schlaue Ernährung ist der heiße Scheiß heutzutage unter allen Sportbegeisterten: Bei der Tour de France behaupten die Teamchefs, ihre Radprofis würden vor allem deswegen immer schneller, weil sie sich so ausgeklügelt ernährten: 120 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde verschlingen die Herren Pogačar, Lipowitz und Co. in Form von Energie-Gels und Elektrolyt-Drinks. Essen, Essen, Essen: Beim Red-Bull-Team fährt sogar ein eigener »Kitchen Truck« mit, in dem die Fahrer direkt nach dem Rennen ihre Glykogen-Speicher auffüllen – mit Bergen von Reis und Hähnchenbrust.
Kann vielleicht auch ein Triathlondilettant wie ich mit geschickter Essensplanung noch ein paar Sekunden oder gar Minuten rausholen? Die Ernährungswissenschaftlerin Juliane Heydenreich von der Uni Leipzig hat mir nicht allzu große Hoffnungen gemacht, als ich sie im Interview dazu befragt habe: »Wenn es Ihr erster Triathlon ist, dann würde ich nicht allzu viel experimentieren.« Sie rät, sich »an klassischen Ernährungsempfehlungen für Ausdauersport« zu orientieren: »Kohlenhydratbetont, gut verteilt rund ums Training und nicht zuletzt: regelmäßig und bewusst essen.« (Das ganze Gespräch finden Sie hier!).
Keine Experimente, so der Rat der Professorin für »Experimentelle Sporternährung«. Stattdessen »Food first«, also auf natürliche Ernährungsbestandteile setzen und Nahrungsergänzungsmittel meiden. Immerhin könnte ich versuchen, mich Anfang September mit Rote-Bete-Saft zu »dopen«: Die erdige Knolle wirkt gefäßerweiternd und kann die Sauerstoffversorgung der Muskulatur verbessern: »Ein halber Liter täglich – oder konzentrierte Shots – über zwei Wochen vor dem Wettkampf können helfen«, sagt Frau Professor.
Rote-Bete-Saft! Was würde ich jetzt dafür geben! Ich passiere bei Kilometer 40 den Summter See und nippe an meinem Zuckerwasser: Brrrrr, widerlich! Ich bin quasi von innen mit Zuckerguss ausgekleidet. Ein Prediabetiker auf Speed. Acht Wochen noch, denke ich im Glukose-Delirium: Ich bin satt, aber ich kaue. Ich bin müde, aber ich trete. Aller Anfang ist süß!
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