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Bergfloh bezwingt Riese: Frankreich jubelt am Mont Ventoux
Valentin Paret-Peintre sorgt für den ersten französischen Etappensieg – und allerlei mehr
Es hat gedauert, aber nun konnte auch Frankreich bei dieser Tour de France lachen. Valentin Paret-Peintre bezwang den mythischen Mont Ventoux – als Erster. Der Bergfloh, mit 52 Kilo bei einer Körpergröße von 1,76 Meter der leichteste Profi dieser Rundfahrt, setzte sich in einem packenden Ausreißerduell gegen den Iren Ben Healy durch. »Ich hatte einfach mehr Hunger als er«, beschrieb der im ostfranzösischen Annemasse aufgewachsene Radsportler die Konstellation mit Blick auf seinen Konkurrenten, der schon die 6. Etappe gewonnen und zwei Tage das Gelbe Trikot getragen hatte.
Beide attackierten sich auf dem langen Anstieg mehrfach, mit einer Wucht, die es durchaus mit der des hinter den beiden immer näher kommenden Favoriten-Duos mit dem Dänen Jonas Vingegaard und Tadej Pogačar aus Slowenien aufnehmen konnte. Paret-Peintre bewies dabei sogar Zockerqualitäten. »Ja, ich wusste, dass die beiden näher kommen, habe mich aber nicht sonderlich darum geschert. Ich dachte, wir spielen es hier richtig unter uns aus. Und wenn die Favoriten dann kommen, war es eben Pech«, sagte er.
Tom Mustroph, Radsportautor und Dopingexperte, begleitet diesen Sport weltweit seit mehr als 20 Jahren für »nd«.
Der dürre Kerl aus Savoyen erlöste damit die Grande Nation. Denn bisher hatte es bei dieser Tour keinen einzigen Sieg eines einheimischen Fahrers gegeben. 380 Tage seit dem letzten Etappensieg eines Franzosen, zählte Tour-Ausrichter Aso den traurigen Countdown herunter. 23 Jahre dauerte es gar, bis ein Franzose mal wieder auf dem Mont Ventoux triumphieren konnte. 2002 war dies Richard Virenque gelungen – sozusagen der Bergflohvorgänger, allerdings einer mit einer dicken Doping-Akte. Dieses Detail wurde am Dienstag im rauschenden Jubel lieber unterschlagen. Die Fans feierten – egal ob sie in Moderatorenrolle im Camp des französischen Fernsehens am Fuße des Mont Ventoux die Etappe noch einmal Revue passieren ließen oder als lautstarke Zuschauer, die das TV-Camp belagerten.
Und es gab noch mehr zu bejubeln: Der 24-jährige Paret-Peintres siegte ziemlich genau 60 Jahre nach dem ersten Coup eines Franzosen auf dem »Riesen der Provence«. 1965 gewann hier der Liebling der Nation, Raymond Poulidor. Feiergründe en masse also. Damit war dann auch die Erinnerung an die eher unfreiwillige Erheiterung ausgelöscht, für die ein anderer Liebling der Franzosen auf der Etappe vor dem Ruhetag gesorgt hatte: Julian Alaphilippe riss nach dem Zielsprint in Carcassonne die Arme hoch. Ihm war jedoch entgangen, dass vorher mit den Belgiern Tim Wellens und Victor Campenaerts schon zwei andere Fahrer die weiße Ziellinie passiert hatten und der Etappensieg damit schon weg war.
Zur Ehrenrettung des zweifachen Weltmeisters Alaphilippe muss man aber auch erwähnen, dass er zuvor gestürzt war, sich dabei die Schulter ausgekugelt und gleich wieder selbst eingerenkt hatte und der Teamfunk seitdem nicht mehr funktionierte. Am Mont Ventoux konnte er dann aber richtig zählen. Als Mitglied der Ausreißergruppe um Landsmann Paret-Peintre überquerte er als Achter den Zielstrich – und hat ganz gewiss bemerkt, dass Pogačar und Vingegaard da noch an ihm vorbeigeflogen waren.
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