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Fifa blockiert Fairness beim Elfmeterschießen
Die Regeln beim Elfmeterschießen sind unfair. Das wird schon lange von fußballaffinen Mathematikern kritisiert
In der Mathematik beschreibt »fair« ein Glücksspiel, bei dem der zu erwartende Gewinn 0 ist. Übertragen auf Sport-Spiele ist die 0 nur theoretisch. Vielmehr will jede Partei diesen Status zum jeweiligen Vorteil brechen. Kraft ihres Könnens, dank des Zufalls. Dabei sind die spielenden Parteien zu Fairness verpflichtet. Gleichfalls sind es diejenigen, die dafür die Regeln aufstellen. Doch mitunter begünstigen geltende Regeln eine der Spielparteien. Nicht selten jahrelang. Wie gerade bei der Frauen-Fußball-Europameisterschaft.
Im Viertelfinale wurden zwei Spiele per Elfmeterschießen entschieden. Bei der Auslosung der jeweiligen Start-Schützin hatte England als Team A (gegen Schweden, somit Team B) die Nase vorn, ebenso Deutschland als Team A (gegen Frankreich, Team B). Das englische wie das deutsche Team waren damit bevorteilt ins Elfmeterschießen geschickt worden. Und dies gemäß dem offiziellen Regelwerk des Fußball-Weltverbandes (Fifa). Das sieht nämlich auch die Schussreihenfolge vor, die mit AB AB AB AB… fixiert ist. Zu ihrem Auftakt trifft Team A im statistischen Mittel zu 75 Prozent. Team B steht damit schon allermeist unter psychologischem Druck. Dieser reduziert die Chancen der B-Schütz*innen im Schnitt um vier Prozent je weiterer Runde. Macht über fünf Runden summiert ein Nachteil von 20 Prozent, somit ein vorteilhaftes 60:40 für Team A.
Schon lange wird das von fußballaffinen Mathematikern kritisiert, hierzulande u.a. von Prof. Christian Hesse (Uni Stuttgart). Als erster bei der Fifa interveniert hatte 2014 der in London lehrende Prof. Ignacio Palacios-Huerta: »Elfmeterschießen ist keine 50-50-Chance, sondern eine 60-40-Lotterie. Die Tie-Break-Praxis des Tennis’ wäre ein gangbarer Weg zu 50:50«, schrieb er (in: »Beautiful Game Theory: How Soccer Helps Economics«). Praktisch hieße das, dass sich die Schütz*innen nicht wie bisher nur abwechseln oder beim Abwechseln abwechseln, sondern beim Abwechseln des Abwechselns stets wieder abwechseln. Hört sich verzwickt an, ist aber eine glasklare Fairness-Folge: für vier Paare AB BA BA AB, für acht AB BA BA AB BA AB AB BA. Mathematisch nichts Neues, als Thue-Morse-Folge seit 100 Jahren weit bekannt und genutzt. Nur die Fifa spielt nicht mit.
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