Grüne Oasen statt grauer Innenhöfe

Ein Kollektiv verwandelt Innenhöfe in Berlin-Neukölln in naturnahe Lebensräume für Insekten und Menschen

Einen Innenhof zu begrünen, macht viel Arbeit.
Einen Innenhof zu begrünen, macht viel Arbeit.

Am frühen Abend stehen vor dem Hauseingang der Hobrechtstraße 23 in Nordneukölln vier Big Packs. Die einen Kubikmeter fassenden Säcke, wie man sie von Baustellen kennt, sind mit Erde oder Sand gefüllt. Mit Schubkarren werden sie in den Innenhof des Altbaus gebracht. Ihn will die Hausgemeinschaft begrünen, zusammen mit dem Prinzessinnengarten-Kollektiv.

Im Innenhof gräbt Christoph Dawid ein Pflanzloch. Um den Mitarbeiter des Kollektivs, das den Prinzessinengarten auf dem St.-Jacobi-Friedhof betreibt, herrscht Gewusel. Ein Dutzend Menschen ist mit Schaufeln, Harken und einem riesigen Vorschlaghammer zugange und bearbeitet auf einem Viertel der Innenhoffläche den Boden. »Wir haben leider Beton gefunden und der muss weg«, erklärt Dawid. In einem Sack sind die Ergebnisse der mühseligen Arbeit zu sehen: Betonschutt, Ziegelsteine und sehr viele Wurzelreste. Alles muss raus, damit die Pflanzen, die schon in Kübeln und Töpfen bereitstehen, ihr neues Zuhause finden können. Immer wieder kommen Leute zu Dawid und stellen ihm Fragen, die er geduldig beantwortet.

Was in der Hobrechtstraße realisiert wird, ist ein Projekt der Grünberatung des Prinzessinnengartens. Hausgemeinschaften, die ihren Innenhof naturnah begrünen möchten, können sich an das Kollektiv wenden und sich kostenlos beraten lassen. Im besten Fall folgt auf die Beratung dann ein Einsatz wie in der Hobrechtstraße. »Die Hausverwaltung hier war so nett zu sagen, dass die Hausgemeinschaft den Hof gestalten kann«, sagt Dawid.

»Naturnah« bedeutet in diesem Fall, dass einheimische Pflanzen mit hohem ökologischen Wert gepflanzt werden. In der Hobrechtstraße sind das neben diversen kleineren Pflanzen auch ein Haselnussstrauch, ein Kirschbaum, ein Holunderbusch und ein Felsenbirnbaum. »Wegen der zunehmenden Versiegelung haben es Insekten in der Stadt immer schwerer, darunter Wildbienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge«, sagt Dawid. Viele dieser Tierarten seien auf wenige Pflanzen spezialisiert. »Wenn die Pflanzen weg sind, verschwinden auch die Tiere.« Wie es aus ökologischer Perspektive nicht gehen sollte, kann man auf einer bereits bearbeiteten Fläche sehen. Dort stehen vier Kirschlorbeeren, Büsche die natürlicherweise in Südosteuropa wachsen. »Null Insektenwert«, wie eine Mitarbeiterin des Prinzessinnengartens sagt.

»Wegen der zunehmenden Versiegelung haben es Insekten in der Stadt immer schwerer.«

Christoph Dawid
Prinzessinnengarten-Kollektiv

»Leider wurde auch vorher schon recht viel gepflanzt«, sagt dazu Hausbewohnerin Susanne, während sie mit einer Harke die frische Erde verteilt. Nachdem im vergangenen Jahr ein bis zum Dach reichender Ahorn gefällt worden war, wurde der Innenhof neu gestaltet, berichtet sie. Auch ein neuer Baum wurde gepflanzt. »Er muss aber noch wachsen«, sagt Susanne. Man merke schon, dass sich der Hof jetzt stärker aufheize. Sie hofft, dass sich das mit dem neuen Grün wieder ändert.

Den ersten Kontakt zum Prinzessinnengarten habe es im März gegeben, eine erste Begehung im April, berichtet Susanne. »Das ging alles total fix«, sagt sie. »Wir haben wegen der Bepflanzung Wünsche geäußert und dann wurde das mit einer Liste vom Umweltamt abgeglichen.« Ohne die Unterstützung durch das Gartenkollektiv wäre die Begrünung wahrscheinlich nicht zustande gekommen. »Ich glaube nicht, dass wir das planerisch hinbekommen hätten.«

Ein weiterer positiver Nebeneffekt: »Das ist eine schöne Gelegenheit, Nachbarn mal anders kennenzulernen«, findet Susanne. Das zeigt sich auch während der Arbeiten. Immer wieder kommen Menschen aus dem Haus vorbei, beginnen Gespräche und tauschen sich aus. Eine von ihnen ist Anette. Sie trauert zwar dem gefällten Baum nach, dennoch sei die Bepflanzung eine »tolle Aktion«. In Zukunft kann der Innenhof ein sozialerer Ort werden. Eine Baumbank um den neu gepflanzten Baum soll noch kommen, und ein kleiner Teil der neu gestalteten Fläche wird ein Sandkasten.

Bezahlen müssen die Bewohner*innen für die Pflanzung nicht, die laut Dawis rund 5000 Euro kostet. Das Projekt wird vom Neuköllner Umweltamt gefördert. 2025 werde die Grünberatung selbst mit 23 000 Euro unterstützt, teilt die Pressestelle des Bezirks mit. »Hinzu kommt die Bezuschussung der umgesetzten Projekte selbst. Die Gesamtsumme hängt hierfür von der Zahl der Projekte und dem Umfang dieser ab.« Wenn es nach dem Bezirk geht, wird das Projekt weitergeführt. Man bewertet die Zusammenarbeit äußerst positiv. Und die Mittel dafür seien nicht von den Einsparungen im Landeshaushalt betroffen.

In der Saison von März bis November setze man zwei bis drei Projekte im Monat um, berichtet Dawid. »Dieses Jahr streben wir 20 Projekte an.« Wenn es mehr Nachfrage gäbe, könnte man auch mehr machen, sagt Dawid. Dafür müsse es aber mehr Willen seitens der Hausverwaltungen geben, solche Begrünungen zuzulassen. »Die meisten wollen die Innenhöfe möglichst plan und versiegelt, das verursacht die wenigsten Kosten.«

Wenn die Baustelle abgeschlossen ist, ist die Arbeit für die Hausgemeinschaft noch nicht vorbei. »Der Deal ist, dass wir das dann pflegen«, sagt Susanne. Und auch die Grünberatung vom Prinzessinnengarten wird ab und zu vorbeikommen und dann mit Tipps bereitstehen.

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