Insolvenz des Schwuz: Ausdruck der Krise

Queerer Club in Neukölln hat Insolvenz angemeldet. Queerbeauftragter und Clubcommission fordern Erhalt

Noch bis Oktober will das Schwuz seine Pforten offen halten. Danach beginnt das Insolvenz­verfahren – mit ungewisser Zukunft für den Club.
Noch bis Oktober will das Schwuz seine Pforten offen halten. Danach beginnt das Insolvenz­verfahren – mit ungewisser Zukunft für den Club.

»Es ist ernst. Wirklich ernst« – mit diesen Worten wandte sich der queere Club Schwuz in der Neuköllner Rollbergstraße vergangene Woche an seine Community. Auf der Plattform Instagram gab das Schwuz bekannt, Insolvenz angemeldet zu haben. Aufgeben will der Club aber noch nicht: Das Insolvenzverfahren verschaffe Zeit, um in den kommenden Wochen zu prüfen, ob es einen Weg in die Zukunft gebe. »Gemeinsam können wir bewirken, dass es weitergehen kann«, schreiben die Betreiber*innen des Schwuz und rufen die Besucher*innen dazu auf, fleißig zum Feiern in den Club zu kommen.

Die Clubcommission, ein Netzwerk der Berliner Clubs, dem auch das Schwuz angehört, sieht die Insolvenz als Ausdruck der stadtweiten Krise. »Die strukturellen Probleme betreffen alle Clubs gleichermaßen«, sagt Sprecherin Emiko Gejic zu »nd«. Steigende Kosten und sinkende Einnahmen sowie die Nachwehen der Corona-Pandemie bringen demnach die Clubs in die Bredouille. Eine jüngst durchgeführte Mitgliederbefragung habe ergeben, dass 46 Prozent der Berliner Clubs eine Schließung in den nächsten zwölf Monaten in Erwägung ziehe. Das seien doppelt so viele wie noch im Frühjahr, so Gejic.

Clubs als Kulturstätten anerkennen

Das Schwuz steche als einer der ältesten queeren Clubs Deutschlands dennoch hervor, denn es trage damit eine »besondere Verantwortung als sicherer Ort und Zentrum queerer Kultur«. »Diese historische Bedeutung macht den möglichen Verlust umso schwerwiegender.« Doch die Clubcommission sieht in der Insolvenz noch nicht das Ende. »Das Schwuz nutzt die Insolvenz als Chance für einen Neustart, um gestärkt in die Zukunft zu gehen«, so Gejic.

Aus Sicht der Clubcommission braucht es strukturelle Veränderungen für alle Berliner Clubs. Das Netzwerk fordert eine Anerkennung von Clubs als Kulturstätten mit entsprechenden Fördermöglichkeiten, die Einrichtung von »Kulturschutzgebieten«, um Clubs vor Verdrängung zu schützen, einen Schuldenerlass bei Krediten in der Corona-Pandemie und »Programm- und Infrastrukturförderprogramme«.

Feiern muss bezahlbar werden

Niklas Schenker, Sprecher für Clubkultur der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, drückt dem Schwuz die Daumen. »Das Schwuz gibt es seit fast 50 Jahren, das ist eine wichtige Institution für die Stadt«, sagt er zu »nd«. Der Club sei in derselben Lage wie viele Clubs in Berlin: Während Personalkosten und andere Ausgaben durch die Inflation steigen, können es sich immer weniger Menschen leisten, feiern zu gehen, sagt Schenker.

»Wir brauchen eine Lösung, um einerseits die Clubs zu erhalten und andererseits für alle bezahlbar zu machen«, so der Linke-Politiker. Denn nachts um die Häuser zu ziehen, solle für alle in der Stadt finanzierbar sein. »Niemand soll sich zwischen Miete zahlen, einem vollen Kühlschrank und hin und wieder mal feiern gehen entscheiden müssen.«

Um dem Schwuz aus seiner akuten Notlage zu helfen, sollten Land und Senat überlegen, was sie tun können, sagt Schenker. »Der Senat muss jetzt prüfen, ob man den Club direkt, gegebenenfalls durch ein Darlehen, unterstützen kann.« Darüber hinaus brauche es strukturelle Unterstützung für die Berliner Clubs, zum Beispiel über eine »Spielstätten-Förderung«. So könnten solche Clubs finanziell unterstützt werden, die zum Beispiel eine wichtige Rolle in einer bestimmten Community haben oder durch politische Veranstaltungen zur Demokratieförderung beitragen.

Queerbeauftragter will Schwuz unterstützen

Ein solcher Ort ist das Schwuz auch in den Augen von Alfonso Pantisano (SPD), Queerbeauftragter des Landes Berlin. »Es war nie nur ein Ort zum Tanzen, sondern immer auch ein politischer Raum – ein Schutzraum für Menschen, die an anderen Orten ausgegrenzt, bedroht oder verletzt werden«, teilt der Queerbeauftragte auf nd-Anfrage mit. Allerdings könne das Land in einem laufenden Insolvenzverfahren keine staatliche Förderung gewähren. »Trotzdem schauen wir genau hin: Gibt es andere Unterstützungsinstrumente?«

Auch Pantisano hält die Notlage des Schwuz nicht für einen Einzelfall. Doch der Staat könne die Krise queerer Kulturorte nicht alleine lösen. Es brauche dafür die queere Community genauso wie etwa Unternehmen und Veranstaltungsagenturen als Kooperationspartner. »Wer diesen Club liebt, kann jetzt etwas tun. Wer den Raum erhalten will, sollte ihn wieder nutzen – zum Tanzen und zum Feiern«, so der Queerbeauftragte. Und die queeren Einrichtungen selbst müssten bereit sein, gegebenenfalls ihre Strukturen zu verändern. Denn die Community sei »vielfältiger denn je«, doch vor allem »Schwarze queere Menschen, trans* Personen oder queere Menschen mit Behinderungen« fühlten sich nicht ausreichend repräsentiert oder willkommen. »Wenn wir queere Orte erhalten wollen, dann müssen wir sie gemeinsam neu denken.«

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.