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Volksbegehren in Berlin: Die Stadt als Werbefläche

Berliner Grüne kritisieren Senat für Ablehnung des Verbots von kommerzieller Außenwerbung

Unterstützer*innen des Volksbegehrens Berlin werbefrei« im Jahr 2018 auf dem Weg zum Senat, um 40 000 gesammelte Unterschriften abzugeben
Unterstützer*innen des Volksbegehrens Berlin werbefrei« im Jahr 2018 auf dem Weg zum Senat, um 40 000 gesammelte Unterschriften abzugeben

Nach dem Willen der Initiative Berlin werbefrei sollen in der Hauptstadt bald weit weniger Reklamen die Aufmerksamkeit der Bürger*innen vereinnahmen. Weil Werbung einen negativen Effekt auf die Aufenthaltsqualität in der Stadt habe, will Berlin werbefrei diese im öffentlichen Straßenland weitgehend reduzieren und digitale Werbeanlagen vollständig verbieten. Dazu hat die Initiative den Prozess für ein Volksbegehren gestartet. Das von ihr ausgearbeitete »Werberegulierungsgesetz« hat nun die rechtliche Prüfung durch den Senat überstanden, inhaltlich stellt sich die Landesregierung allerdings gegen ein Verbot von Werbung in der Öffentlichkeit.

»Der Senat begrüßt die Diskussion über den Umfang von Werbung im öffentlichen Raum und in öffentlichen Einrichtungen«, teilte er am Dienstag im Anschluss an seine Sitzung mit. Doch seien die »vorhandenen rechtlichen Regelungen« ausreichend, um »eine Verunstaltung des öffentlichen Raums« auszuschließen und die Interessen des »Staates, der Bevölkerung, der Werbewirtschaft und der werbenden Unternehmen angemessen zu berücksichtigen«.

Werbung soll in den Augen des Senats nicht »verunstaltend oder belästigend wirken«, man fühle sich weiterhin zu einer »Regulierung von Werbemaßnahmen im öffentlichen Raum verpflichtet« und überprüfe »diese regelmäßig auf ihre Wirksamkeit«. Das »sehr weitreichende Verbot kommerzieller Werbung und von Sponsoring«, das im Gesetzesentwurf der Initiative Berlin werbefrei enthalten sei, lehne man aber ab.

»Es war überfällig, dass das Volksbegehren für ein Gesetz zur Regulierung von Werbung im öffentlichen Raum endlich das Parlament erreicht.«

Philmon Ghirmai  Landesvorsitzender Die Grünen

Die Berliner Grünen kritisieren die Ablehnung des Senats und unterstützen das Anliegen von Berlin werbefrei. »Die zunehmende Kommerzialisierung des öffentlichen Raums wird zu Recht kritisiert«, teilt Philmon Ghirmai, Landesvorsitzender der Partei, mit. Das Berliner Stadtbild sei stark von Werbung dominiert. »Der öffentliche Raum in der Stadt gehört aber allen und die Berliner*innen wollen zu Recht mitentscheiden, wie dieser Raum gestaltet wird.« Die Grünen engagierten sich laut Ghirmai schon lange für weniger Werbung und lehnten insbesondere sexistische und diskriminierende Werbung ab.

Auch die Initiative Berlin werbefrei gibt es schon lange, nämlich seit 2017. Sie musste bereits vor dem Verfassungsgericht um die Rechtmäßigkeit ihres Gesetzesentwurfs kämpfen. Nun wird er dem Abgeordnetenhaus vorgelegt. Das Landesparlament hat vier Monate Zeit, um das Gesetz entweder selbst einzuführen oder es so wie der Senat abzulehnen. Im wahrscheinlichen Fall einer Ablehnung kann Berlin werbefrei ein Volksbegehren durchführen. Wenn die Initiative rechtzeitig genügend Unterschriften sammelt, kann es dann zum Volksentscheid kommen, mit dem die Berliner*innen selbst entscheiden können, ob das Gesetz eingeführt werden soll oder nicht.

»Es war überfällig, dass das Volksbegehren für ein Gesetz zur Regulierung von Werbung im öffentlichen Raum endlich das Parlament erreicht«, sagt Grünen-Landesvorsitzender Ghirmai. Nun sei wichtig, dass »alle Fraktionen in konstruktive Gespräche mit der Initiative eintreten und die Koalition nicht reflexartig das Anliegen ablehnt«. Ghirmai wünscht sich erfolgreiche Verhandlungen zwischen Fraktionen und Initiative »über ein breit getragenes Werberegulierungsgesetz«. »Das vorgelegte Gesetz ist dafür gut geeignet und die genannten Ziele sind eine sehr gute Grundlage«, sagt Ghirmai.

Auch Maximilian Schirmer, Landesvorsitzender der Berliner Linken, unterstützt das Anliegen, Werbung in der Hauptstadt zu reduzieren. »Jeder Zentimeter der Stadt hängt inzwischen mit Werbung voll, die uns Produkte anbietet, die wir meistens gar nicht brauchen«, teilt Schrimer mit. Das sei eine Überflutung an Informationen, um die man nicht gebeten habe. »Unsere öffentlichen Plätze sollten Orte der Lebens- und Aufenthaltsqualität für die Leute sein und keine erweiterte Verkaufsfläche für Konzerne«, so Schirmer.

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