- Politik
- Atombombenabwürfe
80 Jahre Hiroshima: Nukleare Zeitenwende
80 Jahre nach den Bomben auf Hiroshima und Nagasaki wächst wieder die Gefahr eines Atomkriegs
Berlin. Bevor die Boeing 29, vom Piloten auf den Namen seiner Mutter »Enola Gay« getauft, am 6. August 1945 um 2.45 Uhr abhob, wurde gebetet: »Mögen die Männer, die in dieser Nacht den Flug unternehmen ... unversehrt zu uns zurückkehren.« Als die Besatzung etliche Stunden später wieder auf der US-Basis auf der Pazifikinsel Tinian landete, waren etwa 80 000 Einwohner von Hirohima tot, verbrannt nach dem ersten Abwurf einer Atombombe. Drei Tage später, am 9. August, wurden in Nagasaki beim Abwurf einer zweiten Bombe erneut Zehntausende Menschen getötet. Die Zahl derjenigen, die in den folgenden Jahren und Jahrzehnten an den Spätfolgen dieser gigantischen Kriegsverbrechen starben, geht in die Hunderttausende.
Den Befehl hatte US-Präsident Harry S. Truman während der Potsdamer Konferenz gegeben, auf der die USA, die Sowjetunion und Großbritannien als Siegermächte des Zweiten Weltkriegs über die Nachkriegsordnung verhandelten. Unter anderem wollte Truman mit dem Bombenbefehl diese Nachkriegsordnung zum Vorteil der USA beeinflussen. Heute, 80 Jahre danach, gibt es neun Atommächte, allen voran mit weitem Abstand die USA und Russland. Die Nukleararsenale haben ein vielfach größeres Zerstörungspotenzial als die Bomben von Hiroshima und Nagasaki. Zwar gab es vor allem in den 80er und 90er Jahren zahlreiche Verträge und Abkommen zur Abrüstung, Rüstungsbegrenzung und -kontrolle, aber viele davon sind nicht mehr in Kraft. Erst dieser Tage stieg Russland – wie schon lange angekündigt – aus dem INF-Vertrag über ein Verbot von Kurz- und Mittelstreckenraketen formal aus. Die USA hatten ihn bereits 2019 in der ersten Amtszeit von Präsident Donald Trump verlassen.
Obwohl zum 80. Jahrestag der Atombombenabwürfe weltweit vor den Folgen eines erneuten atomaren Wettrüstens oder gar eines Einsatzes von Kernwaffen gewarnt wird, spielen diese wieder eine größere Rolle in der internationalen Politik. Russische Politiker drohten im Streit um den Ukraine-Krieg wiederholt mit Atomschlägen, US-Präsident Trump beorderte zwei Atom-U-Boote näher in Richtung Russland. In Deutschland sollen US-Mittelstreckenraketen stationiert werden. Hier wie auch in der EU werden Stimmen laut, die eine eigene nukleare Bewaffnung fordern. Israel, selbst eine Atommacht, bombardierte Atomanlagen im Iran, die angeblich der Waffenproduktion dienen.
Und auch Japan, das noch lange nach dem August 1945 Hunderttausende Todesopfer, Verletzte und schwer Erkrankte zu beklagen hatte, verabschiedet sich von der pazifistischen Grundlinie und rüstet auf. Darüber berichtet unser Autor Felix Lill in einer Reportage aus Nagasaki. Der 93-jährige Friedensaktivist Terumi Tanaka, der das atomare Inferno überlebte, sagt: »Jede Bombe ist ein Sicherheitsrisiko, weil sie letztlich auch benutzt werden kann. Die Geschichte hat das doch bewiesen.«
Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.