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Hisbollah-Milliz soll ihre Waffen abgeben
Unter dem Druck der USA und Israels legt man sich im Libanon auf einen Zeitplan zur Entwaffnung der Hisbollah-Miliz fest
Die libanesische Regierung hat sich fest vorgenommen, die schiitische Hisbollah-Miliz zu entwaffnen. Dabei bombardiert die israelische Armee regelmäßig weiter Ziele im Libanon, angeblich Hisbollah-Stellungen – trotz einer am 27. November in Kraft getretenen Waffenruhe. Am Dienstagabend, nach knapp sechsstündigen Beratungen, kam das Kabinett von Ministerpräsident Nawaf Salam in Beirut zu einem Beschluss, dass die Hisbollah bis Jahresende alle Waffen abgeben müsse. Die staatliche Armee solle dafür einen Plan ausarbeiten und diesen dem Kabinett bis Ende des Monats vorlegen, sagte Salam. Künftig sollen nur noch staatliche Kräfte Waffen besitzen dürfen.
Zwei Minister, die mit der Hisbollah verbündet sind, hätten die Kabinettssitzung aus Protest verlassen, berichtete der Fernsehsender Al-Manar, der der Hisbollah nahesteht. Ministerpräsident Salam habe aber darauf bestanden, den Beschluss über die Entwaffnung notfalls auch ohne die Zustimmung aller Regierungsmitglieder zu fällen. Das Kabinett soll an diesem Donnerstag erneut über den Konflikt beraten.
Die Antwort der Hisbollah auf dieses Vorhaben war schon vorher klar: Die Hisbollah werde ihre Waffen nicht abgeben, solange sie unter israelischem Beschuss stehe, sagte Hisbollah-Chef Naim Qassem am Dienstag von einem sicheren Ort aus in einer Fernsehansprache: »Der Widerstand ist gut aufgestellt, stark und bereit, für die Souveränität und Unabhängigkeit des Libanon zu kämpfen (…) Die Hisbollah hat große Opfer gebracht, um den Libanon gegen die israelische Aggression zu verteidigen.«
Hisbollah verweigert sich der Entwaffnung
Man werde keinem Zeitplan zustimmen, so Qassem, solange Israels Angriffe im Libanon andauerten und dessen Truppen nicht aus dem Süden abziehen. Israel zieht als Begründung für die Angriffe immer wieder dieselbe Rechtfertigung aus der Tasche: Die Hisbollah im südlichen Libanon stelle weiterhin eine Bedrohung für Israel dar. Erst Dienstagabend hatte die israelische Armee im östlichen Libanon angegriffen und einen »Hisbollah-Terroristen« getötet, teilte die Armee mit. Das libanesische Gesundheitsministerium meldete einen Toten durch einen Drohnenangriff.
Für die Hisbollah Grund genug, ihre Waffen nicht abzugeben. Statt die Hisbollah und damit den »Widerstand« gegen Israel zu schwächen, solle die Regierung Pläne schmieden, um sich dem »Druck und den Drohungen« entgegenzustellen, erklärte Naim Qassem. Tatsächlich sieht sich die libanesische Regierung Pressionen durch Israel und die USA ausgesetzt.
Der US-Sonderbeauftragte und US-Botschafter in der Türkei, Tom Barrack, hatte den Spitzenpolitikern des Libanon bereits im Juni einen Plan vorgelegt, der die vollständige Entwaffnung der Hisbollah innerhalb von vier Monaten vorsieht. Im Gegenzug würde Israel seine Angriffe einstellen und seine Truppen aus den noch besetzten Stellungen im Südlibanon abziehen.
Fünfseitiger US-Plan für den Libanon
»Barrack legte Beirut einen fünfseitigen Vorschlag mit drei Hauptpunkten vor«, sagte gegenüber dem Nachrichtenportal »Middle East Monitor« ein libanesischer Beamter, der anonym bleiben wollte. »Der erste Punkt konzentriert sich auf die Einsammlung aller Waffen und deren Unterstellung unter staatliche Kontrolle.« Der zweite Punkt in Barracks Vorschlag betreffe finanzielle und wirtschaftliche Reformen und verschärfte Grenzkontrollen.
Der letzte Punkt »fordert die Wiederherstellung der Beziehungen zu Syrien auf verschiedenen Ebenen in Bezug auf Sicherheit und Politik, Grenzkontrolle und -demarkation sowie die Stärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen«, sagte der Beamte.
Regierung will staatliches Gewaltmonopol durchsetzen
Libanons Präsident Joseph Aoun hatte bereits vor der Kabinettssitzung am Dienstag erklärt, die Regierung sei entschlossen, »allen bewaffneten Gruppen, darunter der Hisbollah, die Waffen abzunehmen«. Ziel sei es, die staatliche Souveränität auf das gesamte Territorium des Libanon auszuweiten und diese ausschließlich mithilfe von Regierungstruppen zu sichern.
Die Hisbollah ist die einzige Gruppierung im Libanon, die nach dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 in großem Umfang ihre Waffen behalten hat und Schätzungen zufolge über ein größeres Arsenal verfügen soll als die reguläre Armee. Die vom Iran unterstützte und mit der islamistischen Hamas verbündete Miliz lieferte sich 2006 einen Krieg mit Israel, bei dem im Libanon mehr als 1200 Menschen starben. Doch im jüngsten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah hat die israelische Armee die Hisbollah militärisch entscheidend geschwächt und ihre Anführer getötet, allen voran Hassan Nasrallah.
Die Hisbollah hatte unmittelbar nach Beginn des Gaza-Krieges mit Raketenbeschuss auf Israel begonnen. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen auf Ziele im Libanon und schließlich mit einer Bodenoffensive. Auf beiden Seiten der Grenze wurden Tausende Menschen vertrieben.
Neben Israel drängen die USA auf die Entwaffnung der Hisbollah. Washington versuche dies über Druck auf die Regierung in Beirut zu erwirken, biete jedoch keine Gegenleistung, sagte ein libanesischer Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur AFP. »Die USA verlangt vom Libanon, vollständig vor dem israelischen Feind zu kapitulieren, ohne irgendwelche Garantien« dafür, dass Israel die Waffenruhe einhalte, hieß es am Dienstag im Hisbollah-Sender Al-Manar.
USA wollen nicht für Israel garantieren
Seit Monaten fordert der Libanon, dass die USA als Sicherheitsgarant fungieren und sicherstellen, dass Israel seine Truppen vollständig zurückzieht und die Angriffe auf Hisbollah-Mitglieder einstellt – Angriffe, die trotz des Waffenstillstands fortgesetzt wurden –, sollte die Gruppe beginnen, ihre Waffen abzugeben.
Auf die Frage am Montag, ob Washington den Rückzug Israels garantieren würde, antwortete Barrack jedoch, dass die USA »kein Recht haben, Israel zu irgendetwas zu zwingen«. Barrack erklärte gegenüber Reportern außerdem, dass die USA die Hisbollah nicht zur Entwaffnung zwingen oder Sanktionen gegen das Land verhängen würden, wenn keine Fortschritte erzielt würden. Mit Agenturen
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