Sabotage durch Union: Brosius-Gersdorf zieht Kandidatur zurück

Juristin warnt vor »Auswirkungen auf die Demokratie«

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Medien hatten Brosius-Gersdorf als »ultralinks« oder »linksradikal« beschrieben. Das sei »realitätsfern«, konterte die Juristin.
Medien hatten Brosius-Gersdorf als »ultralinks« oder »linksradikal« beschrieben. Das sei »realitätsfern«, konterte die Juristin.

Die von der SPD vorgeschlagene Bewerberin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, zieht ihre Kandidatur zurück. Sie stehe »für die Wahl als Richterin des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr zur Verfügung«, schrieb sie am Donnerstag in einer Erklärung, die Nachrichtenagenturen vorlag. »Mir wurde aus der CDU/CSU-Fraktion – öffentlich und nicht-öffentlich – in den letzten Wochen und Tagen sehr deutlich signalisiert, dass meine Wahl ausgeschlossen ist.«

»Teile der CDU/CSU-Fraktion lehnen meine Wahl kategorisch ab«, heißt es in der Erklärung weiter. Es drohe zudem ein »Aufschnüren des ›Gesamtpakets‹ für die Richterwahl, was die beiden anderen Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht gefährdet, die ich schützen möchte«. Brosius-Gersdorf fügte hinzu: »Auch muss verhindert werden, dass sich der Koalitionsstreit wegen der Richterwahl zuspitzt und eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, deren Auswirkungen auf die Demokratie nicht absehbar sind.«

Die Rechtswissenschaftlerin betonte, dass die SPD-Bundestagsfraktion »bis zuletzt« an ihr festgehalten habe. »Sie stand uneingeschränkt vor und hinter mir.« Auch von den Fraktionen der Grünen und der Linkspartei habe sie »großen Zuspruch und Rückendeckung« erhalten.

Die Besetzung von drei Richterstellen am Bundesverfassungsgericht war am 11. Juli im Bundestag gescheitert, weil die Unionsfraktion die zuvor in der Koalition vereinbarte Zustimmung zur Wahl der von der SPD aufgestellten Brosius-Gersdorf verweigerte. Auch die Wahlen des Unionskandidaten Günter Spinner und der zweiten SPD-Kandidatin Ann-Katrin Kaufhold für das Richter*innenamt wurden daraufhin von der Tagesordnung genommen.

Die Union begründete ihre Kritik unter anderem mit der Haltung der Juristin zu den Themen Abtreibung und Kopftuchverbot. Verzerrte Berichte hierzu hatten mehrere rechtsextreme und konservative Medien veröffentlicht und etwa behauptet, die Juristin sei »ultralinks« oder »linksradikal«. Dies wies Brosius-Gersdorf als »diffamierend und realitätsfern« zurück.

Für die schwarz-rote Koalition war die geplatzte Richterwahl eine Schlappe. »Die Dimension der grundlegenden und inhaltlich fundierten Bedenken gegen eine der Kandidatinnen haben wir unterschätzt«, hatte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) in einem Brief an seine Fraktion geschrieben. Er gab aber auch der SPD eine Mitverantwortung für die gescheiterte Suche nach einem Kompromiss.

Angeheizt wurde die Kampagne gegen Brosius-Gersdorf durch den selbsternannten »Plagiatsjäger« Stefan Weber. Gegen dessen Behauptung, ihre Dissertation habe ihr Ehemann verfasst, geht die Juristin nun juristisch vor. Agenturen/nd

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