Busflotte der BVG: Elektro-Anschluss für Marienfelde

BVG legt Grundstein für neuen E-Bus-Betriebshof

So soll der Lade-Betriebshof in der Säntisstraße ab 2027 aussehen.
So soll der Lade-Betriebshof in der Säntisstraße ab 2027 aussehen.

Einsam steht ein gelber Elektrobus auf der Sandpiste im Industriegebiet an der Säntisstraße in Berlin-Marienfelde. Er ist gewissermaßen die Vorhut für bis zu 220 E-Busse, die hier in anderthalb Jahren beheimatet sein sollen. Denn die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) bauen hier, unweit des S-Bahnhofs Buckower Chaussee, einen komplett neuen Betriebshof. Rund 190 Millionen Euro soll er kosten.

Am Freitagmorgen wurde Grundsteinlegung gefeiert. »Historisch« nennt BVG-Chef Henrik Falk den Termin, schließlich sei der letzte neue Bus-Betriebshof vor 60 Jahren eröffnet worden – in Spandau. Mit dem Neubau wird auch ein historischer Fehler korrigiert. Denn obwohl die BVG ein umfangreiches Busnetz im Süden und Südwesten Berlins betreibt, hat sie seit Schließung des Betriebshofs Zehlendorf im Jahr 2005 keinen dafür gut gelegenen Wartungs- und Abstellstandort mehr. Die beiden nächstgelegenen Betriebshöfe sind Cicerostraße, nahe dem Kurfürstendamm sowie Britz an der Gradestraße. Sie sind über zehn beziehungsweise fünf Kilometer vom neuen Standort entfernt.

BVG-Chef Falk will jedoch vor allem in die Zukunft schauen. »Wir reden über ein Lademanagementsystem, was es bei der BVG so noch nicht gibt. Wir reden über ein Betriebshofmanagementsystem, was wir hier bauen und einsetzen werden, was dann für das Gesamtsystem der BVG eine maßgebliche Rolle spielen wird, weil die es schlichtweg ausrollen werden«, sagt er. In den Jahren der Stagnation haben die Berliner Verkehrsbetriebe schlicht den Anschluss an die technische Entwicklung verloren.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Zwei erste Betriebshöfe

In dieser Aufholjagd hat die BVG in ihrer Öffentlichkeitsarbeit auch etwas den Überblick verloren, welcher Bus-Betriebshof nun der erste neue sein wird. Denn in Treptow-Köpenick laboriert das Landesunternehmen seit Längerem auch am Neubau eines E-Bus-Standorts. Dieser soll auf Flächen an beiden Enden der Minna-Todenhagen-Brücke entstehen.

An der Köpenicker Landstraße wird nun endlich auch gebaut. Jahrelang musste der sehr schwierige Baugrund – instabil und schadstoffbelastet – vorbereitet werden. Nun entstehen dort Abstell- und Ladeflächen. Der Werkstattbereich soll nahe der Rummelsburger Landstraße entstehen. Auch hier waren umfangreiche Vorarbeiten nötig, unter anderem die Suche nach explosiven Hinterlassenschaften aus dem Zweiten Weltkrieg. Für diesen Teil fehlt auch noch das Baurecht. Immer wieder wurde der zuständige Bezirk als nicht sonderlich kooperativ in dem Verfahren bezeichnet.

Auch dieser Betriebshof wird eine geografische Lücke schließen. Denn die Standorte Britz und Lichtenberg sind knapp fünf beziehungsweise sechs Kilometer entfernt. Die künftig bis zu 330 im »Betriebshof Spree«, so der künftige Name, stationierten Busse werden kürzere Wege zum Einsatzort auf vielen Linien haben. Das spart Energie und wertvolle Personalstunden.

Bis 2027 soll es gelingen

Für die Höfe Säntisstraße und Spree ist derzeit die Inbetriebnahme für April 2027 vorgesehen. Gewisserweise hat also ein Wettrennen begonnen, welcher der beiden Standorte wirklich der erste neue Bus-Betriebshof der BVG sein wird.

»Wir stehen nun am Beginn eines steilen Weges der Realisierung.«

Alexander Bonk BVG-Projektleiter

»Wenn ein so großes Bauvorhaben an einer Straße entsteht, die nach einem besonderen Berg in der Schweiz benannt ist, dann drängen sich Analogien zum Bergsteigen geradezu auf«, sagt Alexander Bonk, BVG-Projektleiter für die Säntisstraße. »Wir stehen nun am Beginn eines steilen Weges der Realisierung.«

Bereits die Vorbereitungsphase war schwierig. Bonk nennt »geänderte oder verschärfte Regelungen zum Beispiel zum Brandschutz und Umweltschutz«. Bis zur Erteilung der Baugenehmigung im Mai habe es unter anderem »Überlegungen zur Stromversorgung, zur Ladetechnik, zur Heizungsanlage sowie zahlreiche Abstimmungen zum Regen- und Löschwassermanagement bis hin zur Umsiedlung von geschützten Zauneidechsen« gegeben.

E-Doppeldecker eingeplant

Dazu kommen noch Vorkehrungen für den möglichen künftigen Einsatz von Akku-Doppeldeckern. Es musste konstruktiv berücksichtigt werden, dass dort die Stromabnehmer nicht auf dem Dach platziert werden können, weil die Fahrzeuge sonst zu hoch würden, um unter Brücken durchzukommen.

Aber bisher gibt es noch keine elektrisch betriebenen Doppeldecker, die den Anforderungen der BVG bezüglich Reichweite und Beförderungskapazität gerecht werden. Die im angelsächsischen Raum oder China eingesetzten Exemplare sind nur rund elf Meter lang, in Berlin sind es 13,80 Meter. »Elektrisch angetriebene Doppeldecker sind weiterhin in Planung«, heißt es von der BVG-Pressestelle auf Anfrage von »nd«. Aber konkret ist offenbar noch nichts in Aussicht. »Unsere Expert*innen haben den Markt stets im Blick«, so die Antwort dazu.

Elektrifizierung hängt zurück

Insgesamt ist die Umstellung der BVG-Busflotte noch nicht da, wo sie sein müsste, um, wie im Mobilitätsgesetz festgelegt, bis Ende 2030 vollelektrisch zu fahren. Von den regulären Zwölf-Meter-Stadtbussen beziehen inzwischen 210 ihre Antriebsenergie aus einem Akku. Nur noch 204 Busse dieser Bauart fahren mit Diesel.

Der Fokus liegt derzeit bei den E-Gelenkbussen. 64 sind derzeit in Betrieb, nicht nur auf der Premierenlinie 200, sondern inzwischen unter anderem auch auf den Linien M41, 156 und 255. 2026 sollen 150 weitere ausgeliefert werden, 2027 noch einmal 120. Zum Vergleich: Derzeit fahren noch fast 900 Diesel-Gelenkbusse. Dazu kommen noch die 198 Diesel-Doppeldecker.

»Die E-Mobilität ist das, was wir in Zukunft brauchen, um wirklich unser Klima zu schützen und das gerade im Mobilitätsbereich, weil dieser Sektor noch nicht so aufgestellt ist, wie er eigentlich schon aufgestellt sein sollte«, sagt Mobilitätssenatorin Ute Bonde (CDU). Auf diesem Betriebshof-Neubau kämen Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt zusammen, »das, wofür ich im Land Berlin verantwortlich bin«. Eine Verantwortlichkeit, die viele andere verkehrspolitische Entscheidungen von Bonde nicht erkennen lassen.

Dass der Busbetrieb der BVG nicht wie gesetzlich vorgeschrieben bereits 2030 dekarbonisiert sein wird, räumt man inzwischen auch offiziell ein, indem es heißt, dass dieses Ziel »Anfang der 2030er Jahre« erreicht sein wird. 2027 soll rund ein Drittel der Busse elektrisch fahren.

Ladepunkte dringend benötigt

Dafür braucht es nicht nur neue Betriebshöfe und Umbauten im Flotten-Bestand, sondern auch Ladepunkte an Endhaltestellen. Bis Mitte 2028 sollen 36 Endpunkte mit insgesamt 101 Lademöglichkeiten ausgestattet sein. In Ausschreibungen der BVG werden mal Baukosten von 5,5 Millionen Euro genannt, mal 7,6 Millionen Euro. Baubeginn für die ersten drei soll im Herbst sein, 2026 folgen 15 weitere Endhaltestellen, 2027 weitere fünf. Zu den Standorten hält sich die BVG bedeckt.

Der technische Fortschritt zeigt sich in diesen Aussagen der BVG-Pressestelle: »Die Zuverlässigkeit unserer Elektrobusflotte unterscheidet sich nicht von der unserer Dieselbusse. Die jährliche Laufleistung ist bei den Dieselbussen technisch bedingt noch etwas höher als bei den aktuellen E-Bussen.«

Leerstelle Bundesförderung

Allerdings liegen die Anschaffungskosten immer noch beim Zwei- bis Dreifachen von Dieselbussen. Und während es für die derzeit noch laufenden Beschaffungen hohe Bundesförderungen gibt, wird dies angesichts der Finanzprobleme und des neuen politischen Kurses der ehemaligen Gas-Lobbyistin und jetzigen Bundesenergieminsterin Katherina Reiche (CDU) absehbar nicht der Fall sein.

Zumindest für das milliardenschwere Investitionsprogramm der BVG in neue und ausgebaute Betriebshöfe sichert Verkehrssenatorin Ute Bonde gegenüber »nd« zu, dass es finanziell abgesichert sei. »Sowohl über den Haushalt als auch über das Sondervermögen und in der Investitionsplanung«, sagt sie. Das letzte Wort habe aber natürlich der Haushaltsgesetzgeber, also das Abgeordnetenhaus. »Das mag sein, dass die BVG auch Kredite aufnehmen muss, aber letztendlich finanziert das ja auch das Land«, so Bonde weiter.

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.