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Gaza-Krieg sorgt für Aufruhr im Brüsseler Apparat
EU-Beamte liegen mit Kommission im Streit über Israel-Politik
In Brüssel verschärft sich laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins »Politico« der Konflikt zwischen EU-Beamt*innen und der Europäischen Kommission über das Recht, gegen die Haltung der Union zu Israel zu protestieren. Seit Ende Juli haben demnach rund 1500 der insgesamt 32 000 Beschäftigten einen offenen Brief unterzeichnet. Darin schildern sie die sich rapide verschlechternde Lage im Gazastreifen und warnen vor einem »exponentiellen« Anstieg hungerbedingter Todesfälle, falls die EU Israel nicht zu mehr Hilfslieferungen dränge. Einige der Unterzeichnenden erwägen laut »Politico« sogar Arbeitskampfmaßnahmen, um die Institutionen zu einem entschiedeneren Vorgehen zu bewegen – trotz Widerstands aus einigen Mitgliedstaaten.
Eine wachsende Zahl von Beschäftigten argumentiert offenbar, das Ausbleiben von Druck auf Israel angesichts von Vorwürfen schwerer Kriegsverbrechen im Gazastreifen mache es unmöglich, ihre Arbeit zu erledigen – ohne dabei EU- und Völkerrecht zu verletzen. Die EU-Institutionen hätten »Komplizenschaft« erzwungen, sagte eine Beamtin, die aus Angst vor beruflichen Konsequenzen anonym bleiben wollte.
Der diplomatische Dienst der EU habe laut »Politico« selbst festgestellt, dass Israel seine Menschenrechtsverpflichtungen aus dem EU-Israel-Assoziationsabkommen verletze, und vorgeschlagen, die darin festgelegten Handelsvorteile sowie die Teilnahme am Forschungsprogramm »Horizon Europe« zu beenden. Die Staats- und Regierungschefs der EU hätten sich bislang jedoch auf keine dieser Maßnahmen geeinigt. Kritiker*innen werfen Brüssel deshalb vor, die eigenen Verträge nicht ernst zu nehmen.
Die Kommission hält laut »Politico« dagegen, Außenpolitik sei Sache der Mitgliedstaaten, und warnt das Personal davor, sich politisch zu betätigen. Sprecherin Arianna Podestà bezeichnete den Protest als »inhärent politisch« und betonte, das Personal müsse seine Pflichten und Verpflichtungen »unparteiisch, loyal und neutral erfüllen«.
Ein von »Politico« eingesehenes Schreiben einer Gruppe »EU Staff for Peace« an die EU-Führung wirft Sicherheitskräften in Brüsseler Einrichtungen »Einschüchterung« vor, darunter das gewaltsame Anfassen von Protestierenden, die ungerechte Beendigung von Verträgen und das Unterdrücken der internen Petition.
In einem Fall seien sieben Beamt*innen mit T-Shirts mit der Aufschrift »Say no to genocide« aus der Kantine des Europäischen Rates eskortiert worden; einem sei der Arm verdreht, ein anderer sei gezwungen worden, Videos des Protestes aus Speicher und Papierkorb seines Telefons zu löschen.
Das Schreiben nennt außerdem nicht verlängerte Verträge, erzwungene Kündigungen, ein Verbot einer internen propalästinensischen Umfrage sowie den Auftritt des israelischen Obersts Moshe Tetro am 25. Juni am Personaleingang der Kommission. Tetro wird von der Brüsseler NGO Hind Rajab Foundation die Verantwortung für Kriegsverbrechen vorgeworfen.
Podestà wies den Vorwurf der Einschüchterung zurück und sagte, Kündigungen erfolgten ausschließlich aus »dienstlichen Erfordernissen und aufgrund individueller Leistungen«. Ein Sprecher des Europäischen Rates bestätigte die Entfernung der Beamten aus der Kantine und wies den Protest wie die Kommission als »politisch« zurück.
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