- Berlin
- Stadtentwicklung
Berlin: Kein Herz für das Hotel
Friedrichshainer Nachbarn protestieren gegen Hotelneubau
Heißes Pflaster, laute Parolen: Etwa 50 Menschen hatten sich am Donnerstagabend vor der Geschäftsstelle der Berliner SPD in der Müllerstraße im Wedding versammelt. Es waren vor allem Bewohner*innen des Laskerkiezes in Friedrichshain. Sie trotzten der hochsommerlichen Hitze und wollten ihren Protest vor der Zentrale der Partei ausdrücken, die in Berlin den Senator für Bauen und Stadtentwicklung stellt. Die Senatsverwaltung hatte vor einigen Wochen den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bei wichtigen Bauprojekten entmachtet.
»Der Senat entzieht dem Bezirk die Planungshoheit und treibt damit Projekte voran und die Mieten und Lebenshaltungskosten im Kiez weiter in die Höhe«, sagt Timo Steinke von »Wem gehört der Laskerkiez?«. Die Stadtteilinitiative hatte sich vor vier Jahren gegründet, um sich gegen Luxusprojekte wie den »Ostkreuz-Campus« des Immobilienkonzerns Pandion zu wehren. Mittlerweile sind einige Nobelprojekte hinzugekommen.
Und noch weitere sind in Planung. Dazu gehört ein Hotelprojekt des Investors Trockland, das in unmittelbarer Nähe des Technoclubs »About Blank« entstehen soll. Hauke vom Club trägt bei dem Protest am Donnerstag ein T-Shirt mit der Parole »No Heart for the Hotel« (Kein Herz für das Hotel). »Der Satz stand auf einem alten Wohnwagen, den wir gefunden haben, lange bevor von dem Hotelneubau überhaupt die Rede war«, so Hauke. Jetzt ist er Motto des Protests gegen das Projekt.
»Es gibt so viele Neubauten, die die Menschen vor Ort nicht brauchen. Da hat das geplante Hotel das Fass zum Überlaufen gebracht«, sagt eine Kundgebungsteilnehmerin. »Der Kiez hat genug« lautet die Parole im Aufruf zu der Protestkundgebung des Bündnisses »Berlin gegen Gentrifizierung«. Für dieses haben sich auf Einladung von »Wem gehört der Laskerkiez?« verschiedene Initiativen im Stadtteil zusammengeschlossen. Neben dem »About Blank« sind es das Kiezteam Friedrichshain von Deutsche Wohnen & Co enteignen, die Stadtteilinitiative »Wir bleiben alle Friedrichshain« und die Anwohner*inneninitiative »Kiez ohne Klotz«. Deren Mitbegründer Heerke verweist in einem Redebeitrag darauf, dass er im Rudolfkiez aufgewachsen ist und nicht zusehen will, wie die Gegend durch immer neue Nobelbauten zerstört werde.
Dazu gehört auch das von der Atrium Development Group geplante Hochhaus in der Rudolfstraße 17/18. Um die Realisierung dieses Baus zu beschleunigen, hatte der SPD-geführte Berliner Bausenat dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg vor einigen Wochen die Zuständigkeit für das Planungsverfahren entzogen. Nicht nur die Bezirkspolitiker*innen, sondern auch viele Anwohner*innen kritisieren diesen Schritt. Am Donnerstagabend wollten sich die wenigen Menschen, die sich in der SPD-Geschäftsstelle befanden, dazu nicht äußern.
»Der Senat entzieht dem Bezirk die Planungshoheit und treibt damit Projekte voran und die Mieten und Lebenshaltungskosten im Kiez weiter in die Höhe.«
Timo Steinke »Wem gehört der Laskerkiez?«
Gegenüber »nd« verteidigte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Bauen und Stadtentwicklung die Maßnahme seiner Behörde: »Die Stadt hat als zuständige Widerspruchsbehörde dem Widerspruch gegen den negativen Vorbescheid des Bezirks stattgegeben, weil das Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist. Es bestand insofern ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Baugenehmigung«, erklärte er.
Auch bei der geplanten Hotelansiedlung neben dem »About Blank« spielte ein früherer SPD-Politiker eine Rolle. Der ehemalige Kulturstaatssekretär Tim Renner sollte mit seiner Beratungsfirma Rathaus GmbH den linken Club für den Hotelbau gewinnen, was ihm aber nicht gelungen war. Hauke vom »About Blank« nannte in seinem Redebeitrag auf der Kundgebung die SPD daher auch die Tim-Renner-Partei. »Der Club wird auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil des Protestbündnisses sein«, erklärte er.
Für den 5. September ist im »About Blank« eine Podiumsdiskussion zu Widerstandsstrategien gegen die Gentrifizierung im Kiez geplant. Am 11. Oktober soll es unter dem Motto »Der Kiez hat genug« eine Demonstration gegen die Gentrifizierungspläne geben. Sie soll um 15 Uhr an der S-Bahnstation Warschauer Straße starten.
Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.