Mit der Heidekrautbahn 2026 wirklich grün nach Basdorf

Mit Wasserstoff fährt die Heidekrautbahn schon, klimaneutral ist er aber noch nicht

Ein Wasserstoff-Zug der Heidekrautbahn, angekommen in Basdorf
Ein Wasserstoff-Zug der Heidekrautbahn, angekommen in Basdorf

Der Sonderzug von Berlin-Gesundbrunnen kommt mit rund einer Viertelstunde Verspätung im Betriebswerk der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) am Bahnhof Basdorf im Landkreis Barnim an. Das tut der Stimmung der zahlreichen Politprominenz, die er hinbrachte, allerdings keinen Abbruch.

»Wir haben das einzige Wasserstoffprojekt in Deutschland, das funktioniert«, sagt Sebastian Achtermann stolz. »Und das hier in Berlin und Brandenburg«, schiebt der NEB-Geschäftsführer fast etwas verwundert hinterher. Tatsächlich sind seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2024 auf der RB27, der sogenannten Heidekrautbahn, Wasserstoff-Triebwagen im Einsatz. Ab Berlin-Karow und im Berufsverkehr zusätzlich ab Berlin-Gesundbrunnen fahren sie inzwischen weitgehend klaglos über Basdorf und die beiden Linienäste Richtung Groß Schönebeck und Schmachtenhagen.

Tanken ohne Tankstelle

Zum Betriebsstart konnte Fahrzeuglieferant Siemens Mobility nur fünf der sieben Züge abliefern. Außerdem war die Wasserstofftankstelle in Basdorf noch nicht fertig, sodass die Züge nur direkt vom Tankwagen befüllt werden konnten, was viel mehr Zeit brauchte sowie eine geringere Tankfüllung und somit auch Reichweite zur Folge hatte.

Ob der Energieproduzent Enertrag dann auch noch weniger Wasserstoff liefern konnte als zugesagt, oder nicht, darüber gehen die Darstellungen auseinander. Jedenfalls konnten nicht alle Wasserstoffzüge fahren, weswegen von anderen NEB-Linien Züge abgezogen werden mussten, was dort wieder für Kummer sorgte.

»Weihnachten, da haben wir sehr viel telefoniert«, erinnert sich Geschäftsführer Achtermann. Und lobt alle Beteiligten für die gute Zusammenarbeit. Das sind einige. Unter anderem der Wasserstofflieferant Enertrag, die Kreiswerke Barnim als Tankstellenbetreiber und der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) als Besteller der Zugfahrten.

»Seitdem haben wir einen ziemlich stabilen Betrieb auf der Heidekrautbahn mit den Wasserstoffzügen«, sagt Achtermann. Das Einruckeln sei überraschend schnell gelungen. Vor allem, wenn man sich vor Augen halte, dass es »in anderen Projekten auch nach Jahren noch nicht geklappt hat«.

»Hier zeigt sich, dass auch ein mittelständisches Eisenbahnverkehrsunternehmen in der Lage ist, moderne Herausforderungen zu stemmen und modernen Verkehr anzubieten«, sagt Brandenburgs Infrastrukturminister Detlef Tabbert (BSW). »Da bin ich stolz drauf«, so NEB-Mann Sebastian Achterman.

Wasserstoff-Desaster woanders

Tatsächlich haben sich die zwei anderen Wasserstoff-Zugprojekte bisher als ziemliches Desaster erwiesen. In Niedersachsen sind wegen defekter Brennstoffzellen und fehlendem Ersatz nur noch vier der 14 vorhandenen Züge einsatzbereit. Im hessischen Taunus fahren ersatzweise noch bis mindestens Ende 2025 auf zwei von drei Linien Dieselzüge. Bei beiden Netzen war der französische Konzern Alstom Fahrzeuglieferant.

Bei der Heidekrautbahn ist inzwischen die Wasserstoff-Tankstelle komplett einsatzfähig. Nun dauert das Volltanken nur noch 40 Minuten statt drei Stunden, als der Brennstoff direkt aus dem Tankwagen in den Fahrzeugtank strömte, der aus technischen Gründen so nur zu maximal 80 Prozent gefüllt werden konnte.

Mit Wasserstoff fahren sollen auch einige Müllfahrzeuge und Busse, die im Auftrag des Landkreises Barnim unterwegs sind. Allerdings gibt es auch hier größere Probleme. Denn das Projekt »Wasserstoffschiene Heidekrautbahn« ist mehr als die Umstellung von Zügen von Diesel- auf Wasserstoffantrieb. Allein dadurch werden 1,1 Millionen Liter Dieselverbrauch pro Jahr vermieden.

»Wir haben das einzige Wasserstoffprojekt in Deutschland, das funktioniert.«

Sebastian Achtermann Geschäftsführer NEB

2600 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr sollen so eingespart werden. Doch das wird erst der Fall sein, wenn der Wasserstoff wirklich grün ist, also per Elektrolyse mit Ökostrom gewonnen wird. Der derzeit verwendete graue Wasserstoff fällt bei der Zerlegung von Methan an – pro Tonne werden zehn Tonnen CO2 frei.

2026 will der Windrad- und Solarzellenbetreiber Enertrag die entsprechende Anlage tatsächlich in Betrieb nehmen. Der erste Spatenstich dafür soll am 12. September 2025 erfolgen. Fast fluchtartig eilt Enertrag-Vorstandschef Gunar Hering jedoch bei der Nachfrage davon, wann genau im kommenden Jahr es so weit sein soll. Scheint also eine spannende Angelegenheit zu sein.

Hohe Fördersummen

Brandenburgs Finanzminister Robert Crumbach (BSW) kommt auf die erheblichen Fördermittel zu sprechen, die für dieses Projekt einer regionalen Wasserstoffwirtschaft geflossen sind. 25 Millionen Euro kamen vom Bund, 6,3 Millionen Euro vom Land Brandenburg inklusive Anfang 2025 noch nachgeschossenen Geldes. Die Gesamtinvestitionen für die Wasserstoff-Umrüstung belaufen sich nach Angaben des Wirtschaftsministeriums auf rund 116 Millionen Euro.

»Es ist völlig richtig zu sagen, wir machen das alles mit grünem Wasserstoff, aber dass wir gleich alles am Anfang immer schon mit grünem Wasserstoff machen, das ist dann vielleicht auch ein bisschen übertrieben«, sagt Crumbach.

Leise und schnell

Da wird es ihn freuen zu hören, dass der Wasserstoffverbrauch der Züge real zehn Prozent unter den Prognosen liegt, wie Gerhard Greiter, Nordosteuropachef von Siemens Mobility berichtet. »Er ist hochleistungsfähig, er ist leise, was ein hohes Gut ist, er ist emissionsfrei«, lobt er seinen Zug. Tatsächlich handelt es sich im Kern um einen Elektro-Triebzug, der seinen Strom aus einer mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzelle bezieht. Kein Dröhnen, kein Rütteln wie beim Dieselantrieb, dazu kann er noch wesentlich besser beschleunigen als Verbrenner. Auch E-Auto-Fahrer erleben diesen Unterschied.

Zerstörungen bis zur Gewöhnung

Die vielen weiteren Regionalbahnlinien, die die NEB in Ostbrandenburg betreibt, werden mit fast identischen Akkuzügen von Siemens befahren. Der letzte der dafür bestellten 31 Triebwagen soll in einem Monat feierlich übergeben werden. Ursprünglich hätten alle im Dezember 2024 einsatzbereit sein sollen.

Im Prinzip laufen auch diese Züge problemlos, allerdings gibt es Umstellungsschwierigkeiten beim Fahrpersonal. Immer wieder wurde vergessen, den Stromabnehmer am Ende der elektrifizierten Abschnitte zu senken. Dabei werden nicht nur die Pantographen beschädigt, sondern auch die Oberleitung, was erst kürzlich in Eberswalde für größere Zugausfälle sorgte. Immerhin hat die NEB inzwischen einen Vorrat an Ersatz-Stromabnehmern in ihrer Betriebswerkstatt in Basdorf.

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