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Bundesliga: In der Vorhölle des Kapitalismus
Unser Kolumnist schaut auf den ersten Spieltag der Fußball-Bundesliga – die längst nicht mehr das ist, was sie einmal war
Nun ist es geschehen, der erste Spieltag der Bundesliga ist über uns hereingebrochen und lässt uns in der kapitalistischen Vorhölle Veitstänze vollführen. Bleibt uns nur die Flucht in finstre Tropfsteinhöhlen oder in die Depression als letzte Festung, als spirituelle Schutzhülle? Wieso sind wir am Freitag aufgestanden? Doch nicht etwa, um das Konstrukt RasenBallsport Leipzig gegen die Münchner Mauschelamigos aufgedrückt zu bekommen? Anscheinend schon, denn auch ich gehörte zu den armseligen Würstchen, die sich kurz vor halb neun vor dem TV-Gerät einfanden, um mir vom Unterschichtenfernsehen (Tribut an Harald Schmidt) das letzte bisschen Gehirnsuppe absaugen zu lassen.
Dabei waren wir doch alle einmal zarte Würmchen, die mit großen Augen ins Leben schauten und friedlich brabbelnd von Ferien für immer träumten. Genau diese Fragen las ich in den gelben Pupillen unserer Katze, die mich fragend anschaute, als ein grinsender Sat1-Fernsehkerl im schlimmsten Anbiederton irgendeinem ehemaligen Fußballlangweiler überflüssige Fragen stellte. Karl Marx noch mal, hier hilft nur das sofortige Abstellen des Tons, was zum einen die Katze beruhigt und andererseits auch ihr braves Herrchen dazu bringt, vom Schnorcheln im Mittelmeer zu träumen, derweil im Fernseher die Münchner Dampfwalze die Brauseknilche verdrischt.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Aber … wir erleben den ersten Spieltag, noch liegt verschleierte Unschuld über den Spielern, Platzwarten, Würstchenverkäuferinnen … Sehnsucht regt sich. Es ist die Erinnerung an eine andere Zeit, als wir nicht vom Geldwucher des modernen Fußballs belästigt wurden und für 45 Pfennig die Stehränge stürmten, weil gleich die Helden in den schönsten Farben der Welt den rumpeligen Rasen stürmten. Diese Spieler, die unsere Väter noch in der Werkhalle antrafen, um ihnen scherzhaft die Löffel langzuziehen, für vergebene Chancen, verwaschene Hoffnung, Pfostenschüsse und Eigentore.
2025 wohnen die Rasengaukler in Gated Communitys mit automatischen Toren und Torwächtern in schicken Uniformen. Wenn Mensch Schmidt Glück hat, fährt ihm eine Spielerfrau beim Ausparken in der größten Fucking Mall seiner Stadt über den großen Zeh. Das ist, als wenn dich 1974 Peter Ducke oder Gerd Müller berührten, damals, als der Fußball noch rund war und sich nicht in der Hand von Großkopfeten und Finanzhaien befand, die sich einmal im Jahr mit Lagerfeld Marke redlicher Arbeiterschweiß eindieseln, wenn es darum geht, bei Mitgliederversammlungen den andächtig lauschenden Trotteln Märchen aufzutischen.
Was ist das? Ein perfekt gegelter Münchner trifft das Leipziger Tor, das natürlich kein Sachsentor ist, sondern das Gehäuse einer Mannschaft eines Weltkonzerns, der schlimme Zuckerbrühe an arglose Kinder verkauft. Kurz den Ton der Glotze einschaltend, überfällt mich dreist dröger Laberschwall des Dünnbrettbohrers am Mikro, die Katze guckt schon wieder böse. Wäre es nicht das Beste, nun sofort den Fernseher aus dem Fenster zu werfen? Ja. Nein. Es ist doch Fußball … Den Ton leise stellen … mit nur einem Auge hingucken … oder doch mit beiden?
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