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Carl Zeiss Jena sieht mit dem dritten Auge Lok Leipzig verlieren
BallHaus Ost: Wenn Vollmond und zweimal BFC zusammenstoßen
Das Wochenende schickte einen überdimensionierten Käsemond ins wunderbare Berlin, der die Abende in ätherisches Licht tauchte und die Glocke des Schicksals rührte. Ich kann darin nur eine geheime Botschaft des luziden, unsichtbaren Wesens erkennen, welches sich um die verdeckten Geschicke des Wachsens und Werdens von Fußballträumen bemüht. Denn nach langem Entbehren an den Zitzen des Schmerzes erkennen findige Geister ein Fünkchen Hoffnung für den Fußballverein aus Jena.
Übe dich in Geduld, alles Gute kommt von allein, binde deine Windel, lass den Storch klappern. So grausam, wie profan ist die banale Philosophie des Fußballs. Muss man für das Gute zwei Jahre anstehen, oder werden es zwei Jahrhunderte? Warte, warte, warte. Und sehe mit deinem dritten Auge, wenn Vollmond und zweimal BFC zusammenstoßen, wird das Wochenende doppelt auserlesen.
So geschehen in Berlin am 7. und 9. November. Erst haschte Carl Zeiss im Sportforum Hohenschönhausen nach dem Ball. Ein Freitagabendspiel im Herbst, das sich ein paar Hundert Jenaer Schlachtenbummler (seltsamer Begriff aus der Fußballsprache) nebst Freunden aus München, die am Folgetag bei Union spielten, sich nicht entgehen lassen wollten. 3:2 gewonnen!
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Und wie friedlich flossen die 90 Minuten an uns vorbei. BFC-Ultras unterstützten mit einem wohlmeinendem Banner die Jenaer Kollegen in ihrem Kampf gegen die dunklen Mächte der Stadt, die in den Jugendlichen eine Gefahr für die Sicherheit der braven Bürger erkannt haben. Doch ein My Krawall und Remmidemmi gehören zum Spiel, lasst doch der Jugend ihren Lauf, schon bald werden sie als Muttis und Vatis rechtschaffen über ihren halbwüchsigen Leichtsinn lachen. Ich hoffe, unser Vereinspräsident bringt die zänkischen Köpfe auf beiden Seiten zur Räson, schließlich wollen wir im Jahr 2063 Weltmeister werden, das geht nur ohne senilen Hader.
Zurück nach Berlin. Bringt dem BFC nachträglich Blumen aufs Krankenzimmer, schließt aus Mitgefühl Baumpatenschaften für die Weinroten ab. Die Dynamos hielten vor 3000 Zusehenden in der ersten Halbzeit gut dagegen. Weil sie aber fast alle guten Spieler gehen lassen mussten, um sie durch grünschnäbelige NoNames zu ersetzen, waren sie in ihrem Ist-Zustand kein echter Gegner.
Am Sonntag schlug der andere BFC (Preußen) Regionalliga-Spitzenreiter Leipzig mit 2:0. Muss man sich die Preußen aus Westberlin merken? Ihr ödes Stadion in einem Gewerbegebiet am Arsch der Hauptstadt spricht nicht dafür. Zum drolligen Lok-Verhauen (streng metaphorisch, das Publikum besteht bestimmt aus rüstigen Laubenpiepern) hat es gereicht.
Zwar thront Lok noch auf Platz eins, doch ist es ein müdes Pünktchen, das Jena von den Galoschen des Glücks trennt. Besonnene Kräfte mahnen zur Ruhe, das ist für mich kein gangbarer Weg. Halle daheim und die Blumen des Bösen aus Vieselbach warten auf mich. In mir steigt das Fußballfieber, 42 Grad und höher. Nun schnell hinein ins heiße Höschen künftiger Siege, die Zunge raus und den Finger tief in der Nase des Todes höre ich schon mein herzzerreißendes Lachen.
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