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Den Krieg bekämpfen, wo er beginnt
Antimilitaristische Camps haben bereits Tradition, nun ziehen sie aber neue Zielgruppen an
Das vom Oberverwaltungsgericht gekippte Verbot des antimilitaristischen Camps »Mach was wirklich zählt! Rheinmetall entwaffnen« in Köln hat mit dafür gesorgt, dass es auch über eine engere linke Szene hinaus bekannt wurde. Wohl noch nie haben so viele Medien schon im Vorfeld über das Camp berichtet wie in diesem Jahr. Dabei standen weniger die Inhalte, für die das bundesweite Bündnis »Rheinmetall Entwaffnen« steht, im Vordergrund.
»Es ging uns immer darum, an die Orte zu gehen, an denen Waffen produziert und exportiert werden«, sagt ein Aktivist, der schon im niedersächsischen Unterlüß dabei war, als die Antimilitaristen vor sieben Jahren erstmals unter dem Label »Rheinmetall Entwaffnen« antraten. Dort hat der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern sein Werk für die Produktion von Waffen und Munition. 2018 und 2019 schlugen die Antimilitaristen deshalb ihre Zelte auf einem Platz mitten in der kleinen Stadt auf. 2020 und 2022 war dann der Rüstungs-Hotspot Kassel an der Reihe. 2021 stand für ein Protestcamp im süddeutschen Oberndorf der Rüstungskonzern Heckler & Koch, der dort seinen Stammsitz hat, im Fokus. Nach Kiel im letzten Jahr wird dieses Jahr Köln für einige Tage zum Aktionsort gegen die deutsche Rüstungsindustrie.
Neues Interesse an Antimilitarismus
Diese Bewegung hat auch eine Vorgeschichte: Unter dem Motto »War starts here« hatten Antimilitaristen 2012 und 2014 in der Altmark nördlich von Magdeburg ein Camp errichtet, um gegen das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) zu protestieren. Der größte und modernste Truppenübungsplatz Europas ist schon seit Jahren in Betrieb und weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden.
Seit 2021 waren die Camps immer geprägt von einer Mischung aus Informationsveranstaltungen und Diskussionen über den Kampf gegen Militarismus und Waffenexporte sowie Blockaden oder Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen Einrichtungen der Rüstungsindustrie. Was sich aber geändert hat, war der Aufschwung der Rüstungsindustrie in Deutschland – ein wichtiger Motor war dafür der Ukraine-Krieg. Die Rheinmetall-Aktien stiegen ebenso wie die Rüstungsausgaben der Bundesregierung. Inzwischen werden sogar an mehreren Orten ehemalige Fabriken mit ziviler Produktion von Rheinmetall übernommen und zu Rüstungsstandorten umgewandelt.
Mit der beispiellosen Aufrüstung ist auch bei jüngeren Menschen wieder das Interesse an einer antimilitaristischen Praxis gewachsen. Die Organisationen der traditionellen Friedensbewegung waren für viele junge Menschen wenig attraktiv – besonders, nachdem in Teilen dieser Bewegung ein Streit um die Frage »Wie rechts dürfen die Bündnispartner sein?« entbrannt war.
Wachsende Teilnehmerzahlen
Für das »Rheinmetall-Entwaffnen«-Camp gehören der Kampf gegen Militarismus und alten wie neuen Faschismus zusammen. So widmeten sich in Unterlüß mehrere Veranstaltungen den Zwangsarbeitern aus verschiedenen Ländern Osteuropas, die während des Nationalsozialismus für den Rheinmetall-Konzern in dem Ort schuften mussten. Durch das Camp wurde die Diskussion über einen Gedenkort vor Ort mit angeregt, den es dort bisher nicht gab.
Vor allem die als »Rote Gruppen« bezeichneten jüngeren kommunistischen Organisationen beteiligten sich immer öfter an den Camps. In diesem Jahr haben auch Libertäre aus verschiedenen Städten zu einem antifaschistischen Barrio beim Zelten in Köln aufgerufen. In ihrem Aufruf wird betont, dass sich auch Anarchisten und Libertäre klar gegen jeden Militarismus positionieren müssten. Auch dies ist allerdings umstritten: Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine gab es auf anarchistischen Konferenzen und Veranstaltungen heftige Auseinandersetzungen über die Beteiligung von Anarchisten in der ukrainischen Armee.
Im »Rheinmetall-Entwaffnen«-Camp sind die Grundsätze klar: Man stellt sich weder auf die Seite Putins noch der Nato. Das Wichtigste ist aber: Das Bündnis belässt es nicht bei Appellen für Frieden und Abrüstung, sondern es markiert diejenigen, die an Rüstung und Militarismus verdienen. Da ist es kein Wunder, dass die Repressionsversuche, die es bei jedem Camp gab, auch in Köln stärker werden.
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