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Ewigkeitschemikalie belastet Trinkwasser
Trifluoressigsäure entsteht beim Abbau von Pestiziden
Der Stoff Trifluoressigsäure (TFA) fiel hierzulande bereits 2016 auf, als er im Trinkwasser in der Neckarregion nachgewiesen wurde. Trifluoressigsäure ist ein Abbauprodukt von PFAS, insbesondere von PFAS-haltigen Pestiziden und F-Gasen, und findet sich in hoher Konzentration im Trinkwasser. Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) umfassen mehr als 10 000 synthetische Chemikalien. Viele PFAS stammen aus Produkten wie Kühlmitteln, beschichteten Pfannen oder Verpackungen. Sie reichern sich in Böden und Wasser an, wo sie lange Zeit überdauern.
Die Konzentrationen von TFA in Umwelt und Lebensmitteln steigen seit Jahren an. Besonders beunruhigend ist, dass TFA mit herkömmlichen Methoden nicht mehr aus dem Wasser entfernt werden kann. Zudem werden nachweislich bestimmte fluorierte Treibhausgase in der Atmosphäre vollständig zu TFA abgebaut.
Wie ein bundesweiter Test von Leitungswasser zeigt, liegen die Werte größtenteils unter einem Mikrogramm pro Liter, in Dresden jedoch bei 1,3 µg/l, in Kevelaer (NRW) sogar bei 2,4 µg/l. Und während bei Mineralwässern Gerolsteiner und Spreequell mit 0,1 und 0,2 µg/l relativ geringe Werte zeigten, wurde im stillen Aqua Mia von Rewe ein TFA-Wert von 1,8 µg/l gemessen. Dieses Wasser entspreche nicht den Erwartungen der Verbraucher, erklärt Ulrich Borchers vom Institut für Wasseranalytik.
In der Region Oberrhein haben sich die TFA-Konzentrationen in Proben aus Privathaushalten und öffentlichen Einrichtungen im Rhein seit 2016 verdoppelt. Das ist das Ergebnis eines Tests der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke Bodensee-Rhein.
TFA kann mit herkömmlichen Methoden nicht aus dem Wasser entfernt werden.
Einen verbindlichen EU-Grenzwert gibt es allerdings nicht, dafür einen »Leitwert«, den die Länder selber festlegen: In Deutschland liegt er bei 60 µg/l, in der Schweiz bei 10 µg/l, in den Niederlanden bei 2,2 µg/l.
Während Weine bis in die 1970er Jahre noch frei von TFA waren, wurde seit den 1980er Jahren eine zunehmende Belastung festgestellt. Die neuen Weine enthalten extrem hohe TFA-Gehalte. Der pharmazeutische Chemiker Michael Müller erforscht die Belastung durch TFA anhand historischer Weinproben an der Universität Freiburg. Ihm zufolge steigen die Werte seit 2010 rasant an. In einzelnen Proben wurden Konzentrationen von bis zu 300 Mikrogramm pro Liter festgestellt. Damit hat sich der Wert innerhalb von 15 Jahren verzehnfacht.
Von 48 diversen Lebensmitteln, die die Umweltorganisation Global 2000 testete, waren alle mit TFA belastet. Dabei wiesen konventionelle Waren dreimal höhere Werte auf als Bio-Produkte. In einem Keks wurden sogar 420 µg/kg nachgewiesen – das entspricht dem 100- bis 1000-fachen der TFA-Werte im Trinkwasser. Die hohen TFA-Konzentrationen im Boden stammen vor allem von PFAS-haltigen Pestiziden, weiß der Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden, der für Global 2000 arbeitet. Er fordert ein rasches Verbot all jener Substanzen, die sich in der Umwelt zu TFA abbauen.
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Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) stuft TFA als fortpflanzungsgefährdend ein und das Umweltbundesamt bewertet den Stoff als sehr langlebig und mobil. Vor einem Jahr hatte Deutschland bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) die Einstufung von TFA als »reproduktionstoxisch« beantragt. Wird dem Antrag stattgegeben, könnte TFA als »relevanter Metabolit« von Wirkstoffen von Pflanzenschutzmitteln eingestuft werden. In diesem Fall dürfte laut Trinkwasserverordnung die Belastung mit TFA den Grenzwert von 0,1 µg/L nicht überschreiten.
Bezüglich TFA diskutiert der wissenschaftliche Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der ECHA das Dossier der deutschen Behörden und wird bis Ende 2026 seine Stellungnahme an die EU-Kommission übergeben, die einen entsprechenden Verordnungsentwurf erstellt.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert unterdessen das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf, sämtliche TFA-bildenden Pestizide schnellstmöglich vom Markt zu nehmen. Für drei solcher Produkte hat die DUH am Montag den Widerruf der Zulassung beim BVL beantragt. In Dänemark wurden kürzlich 23 Pestizide verboten, weil sie TFA bilden.
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