»Mogelpackung«: Lehrergewerkschaft kritisiert Kürzungen

Der Brandenburgische Pädagogen-Verband kritisiert geplante Kürzungen im Schulbereich scharf

Der Dreisatz ließe sich auch auf die Brandenburger Bildunsgpolitik anwenden: Weniger Lehrer bedeutet weniger Unterricht.
Der Dreisatz ließe sich auch auf die Brandenburger Bildunsgpolitik anwenden: Weniger Lehrer bedeutet weniger Unterricht.

»Durch die zusätzliche Wochenstunde haben wir ab dem 1. Februar 2026 mehr Unterrichtsstunden im System als vorher«, hat Brandenburgs Finanzminister Robert Crumbach (BSW) in einem am Montag veröffentlichten Interview gesagt. »Das zählt für mich«, erklärte er. Die Koalition hatte in den Haushaltsverhandlungen beschlossen, dass ab Februar 2026 alle Lehrer*innen im Bundesland pro Woche eine Unterrichtsstunde mehr halten sollen. Unter dem Strich sollen 345 Vollzeitstellen wegfallen.

Gewerkschaften, Eltern und Schüler*innen laufen gegen diese Maßnahme Sturm. An einer Demonstration am 21. Mai in Potsdam, zu der die GEW aufgerufen hatte, nahmen 10 000 Menschen teil. Die Wut richtet sich dabei aber nicht nur dagegen, dass Lehrer*innen mehr arbeiten sollen. Auch die Folgen für die Bildungsqualität und die Arbeit in der Schule stehen in der Kritik.

Um die wegfallenden Vollzeitstellen zumindest teilweise zu kompensieren, hat die Landesregierung das Budget für Vertretungskräfte erhöht. Das sei aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt Hartmut Stäker, Präsident des zum Beamtenbund gehörenden Brandenburgischen Pädagogen-Verbands (BPV), auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Potsdam. Gemessen an der steigenden Schüler*innenzahl müssten eigentlich 150 Vollzeitstellen zusätzlich geschaffen werden, rechnet der Pädagoge vor.

»Ein Kürzung im Regelangebot ist nicht möglich«, sagt Stäker. Der Mangel an Lehrkräften werde vor allem schädlich für die Inklusion sein. Angebote wie individuelle Förderung oder der Unterricht in Deutsch als Zweitsprache würden den Kürzungen als erstes zum Opfer fallen. Insbesondere letzteres werde für Kinder mit Migrationsgeschichte jahrzehntelange Folgen haben. Und die steigende Arbeitsbelastung werde weitere Konsequenzen nach sich ziehen: »Ich prophezeie eine Zunahme des Krankenstandes der Kolleginnen und Kollegen.«

Auch die Ausweitung der Arbeitszeit kritisiert der BPV. Einzelne Lehrer*innen müssen zwar »nur« eine Wochenstunde mehr arbeiten, die Auswirkungen für den Schulbetrieb sind jedoch groß. »Wenn man zum Beispiel eine Grundschule mit 30 Lehrkräften nimmt, bedeutet diese zusätzliche Unterrichtsstunde, dass dann eine Lehrerin das Kollegium verlassen muss«, erklärt Alexander Lipp, BPV-Vizepräsident. Wie der junge Lehrer sagt, muss pro Lehrer*in zwar mehr unterrichtet werden. Aber das Kontingent an Stunden, das einer Schule zur Verfügung steht, bleibt bestehen. Gleiche Arbeit für weniger Personal also.

»Das wirkt sich natürlich auf die Unterrichtsqualität aus«, sagt Lipp. Wenn dann beispielsweise ein*e Physiklehrer*in das Kollegium verlasse, müssten die dadurch entfallenden Fachstunden von fachfremden Lehrer*innen oder Vertretungskräften übernommen werden.

Die Folge sei ein »Umsetzungskarussel«, so Lipp. Und: »Die staatlichen Schulen wissen noch nicht, wo die Lehrer hinsollen.« Der Prozess, das festzustellen, dauere normalerweise acht Monate – und die Schulen hätten noch nicht einmal mit der Bedarfsermittlung begonnen. Um diesem Chaos entgegenzuwirken, hätten manche Kollegien auch schon beschlossen, die zusätzliche Unterrichtsstunde einfach durch eine Umstellung auf Teilzeit auszugleichen. Diese Maßnahme sei eine »fiese Mogelpackung, um Geld zu sparen auf dem Rücken der Kinder«.

Nicht weniger Kritik hat der Pädagogen-Verband an den geplanten Entlastungsmaßnahmen. »Im Gesetz steht, dass wir entlastet werden, weil wir jetzt Mail-Adressen haben«, sagt Andreas Zimmermann, der ebenfalls BPV-Vizepräsident ist. Das müsse man nicht weiter kommentieren. Eine weitere Enlastungsmaßnahme ist, dass Zeugnisgespräche in den Klassen eins und zwei nur noch auf Wunsch der Eltern stattfinden sollen. »Wenn es notwendig ist, werde ich natürlich auch weiterhin das Gespräch mit den Eltern suchen«, sagt Zimmermann.

Aus pädogogischer Sicht kritisiert der Pädagoge den Vorschlag, in Zukunft nur noch eine anstatt zwei Klassenarbeiten pro Halbjahr schreiben zu lassen. »Jeder hat mal einen schlechten Tag«, sagt Zimmermann. Das müsse man auch Schüler*innen zugestehen. Diese hätten so nur noch eine Prüfung, auf die alles ankomme. Im Zweifel steige sogar der Aufwand für ihn als Lehrer. Denn wenn man die Schüler gerecht bewerten wolle, müsse man etwa mündliche Prüfungen heranziehen, die aufwendiger seien. Die geplanten Entlastungen seien eine reine Mogelpackung, sagt Zimmermann.

Der BPV fordert nun, dass es endlich zu echten Gesprächen mit allen Beteiligten kommt. Bisher seien solche Gespräche nur angekündigt worden, fanden aber nie statt. Alle relevanten Ministerien müssten an den Tisch kommen, sagt Alexander Lipp: »Finanzen, Gesundheit, Bildung.« Er fordert zudem eine Arbeitszeiterfassung und eine Entlastung der Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben. Lipp macht aber auch klar: Wer denke, das gehe ohne mehr Leute an den Schulen, der liege falsch. »Das gibt es nicht zum Nulltarif.«

- Anzeige -

Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.

Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen

Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.