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PCK-Raffinerie: Gnadenfrist für Schwedt
US-Sanktionen gegen Rosneft bedrohen PCK-Raffinerie – Bundesregierung erhält Ausnahme für Deutschland
Von Washington nach Schwedt (Oder) – Entscheidungen, die in der US-Hauptstadt getroffen werden, haben Auswirkungen bis in die Uckermark. Und zwar ganz konkret: Die PCK-Raffinerie in Schwedt droht wegen der jüngsten US-Sanktionen gegen die staatlichen russischen Ölkonzerne Lukoil und Rosneft in Schwierigkeiten zu geraten.
US-Präsident Donald Trump hatte die beiden Firmen am 22. Oktober aufgrund des Ukraine-Kriegs sanktioniert. Teil des Sanktionspakets: Bis zum 21. November müssen alle Unternehmen ihre Beziehungen zu Unternehmen kappen, die mehrheitlich in russischer Hand sind. Und das trifft auf die PCK-Raffinerie zu. Sie gehört zu 54 Prozent Rosneft Deutschland. Das »Handelsblatt« berichtete, dass direkt nach der Verkündung der Sanktionen alle Banken, mit denen die Raffinerie Geschäfte abwickelt, ihr Engagement eingestellt hätten. Innerhalb weniger Wochen hätte die Insolvenz gedroht.
Anfang der Woche kam dann aber die erleichternde Botschaft: Am Dienstag bestätigte Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche der Nachrichtenagentur Reuters, dass Rosneft Deutschland von den US-Sanktionen ausgenommen werde. Es gebe einen sogenannten Letter of Comfort aus den USA, der bestätige, dass die Aktivitäten von Rosneft in Deutschland vollständig von der russischen Muttergesellschaft getrennt worden seien. Ein Sprecher des Brandenburger Wirtschaftsministeriums konnte die Angaben gegenüber »nd« nicht bestätigen. »Sollte sich das bewahrheiten, wären das natürlich gute Nachrichten«, so der Sprecher.
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Rosneft Deutschland wird seit dem russischen Angriff 2022 auf die Ukraine von der Bundesregierung treuhänderisch verwaltet. Die Hoffnung war bislang, dass so Sanktionen umgangen werden können. Schon vergangene Woche hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gesagt, er rechne deswegen damit, dass die USA Rosneft Deutschland von den Sanktionen ausnehmen werde.
Ob die Ausnahme von den Sanktionen dauerhaft ist oder befristet, ist nicht klar. Das Nachrichtenportal Bloomberg hatte am Montag berichtet, dass die US-Regierung der Bundesregierung eine sechsmonatige Frist gesetzt habe, um die Eigentumsverhältnisse der Raffinerie zu klären. Medienberichten zufolge erwägt US-Präsident Donald Trump eine nicht verlängerbare Generallizenz für Rosneft Deutschland.
Würden die Sanktionen bei der Raffinerie greifen, hätte das schwerwiegende Folgen. Mit ihren rund 1200 Beschäftigten ist sie der größte Arbeitgeber in Schwedt mit seinen rund 30 000 Einwohner*innen. Stirbt die Raffinerie, stirbt die Stadt, heißt es. Und dem Vernehmen nach stammen 95 Prozent des in Berlin und Brandenburg verkauften Benzins, Diesels und Heizöls aus Schwedt. Auch der Flughafen BER bezieht sein Kerosin aus der Uckermark. Insgesamt entfallen auf Rosneft Deutschland zwölf Prozent der Erdölverarbeitungskapazitäten Deutschlands.
Der Brandenburger Linke-Bundestagsabgeordnete Christian Görke sagt im Gespräch mit »nd«, er erwarte nach der Ankündigung aus dem Bundeswirtschaftsministerium, dass die PCK-Raffinerie nicht von den Sanktionen betroffen sei, »volle Transparenz«. »Diese Schleichfahrt muss endlich ein Ende haben«, so Görke weiter. »Das Treuhandkonstrukt erweist sich angesichts der amerikanischen Sanktionen erneut als Fehlkonstruktion.« Jede Bundesregierung sei den Entwicklungen hinterhergelaufen und habe nie die Initiative ergriffen, so Görke. Er macht sich für eine Verstaatlichung von Rosneft Deutschland stark. »Ich erwarte wenigstens jetzt eine klare Strategie der Übernahme der Rosneft-Anteile durch den Bund.«
»Das Treuhandkonstrukt erweist sich angesichts der amerikanischen Sanktionen erneut als Fehlkonstruktion.«
Christian Görke (Linke)
Bundestagsabgeordneter
Es ist nicht das erste Mal, dass Sanktionen für Probleme in Schwedt sorgen. Großbritannien hatte Rosneft jüngst ebenfalls sanktioniert. Auch hier musste erst eine Ausnahme für das Deutschlandgeschäft geschaffen werden. Und auch die seit Langem geplante Ertüchtigung der Pipeline von Rostock nach Schwedt scheitert an Sanktionen. Diese stammt noch aus DDR-Zeiten und gehört zur PCK-Raffinerie. »Das Geld ist da, es fehlt an der Genehmigung aus der EU«, sagt Linke-Politiker Görke. Grund dafür seien EU-Sanktionen gegen Rosneft. »Diese Pipeline ist die Lebensader für Schwedt.« Die Ertüchtigung sei einerseits wichtig, um die Transformation der Schwedter Raffinerie in eine »grüne Raffinerie« voranzubringen. Görke spricht sich dafür aus, die Pipeline für moderne Wasserstofftechnologie fit zu machen.
Andererseits gehe es auch um die Sicherstellung der Energiesouveränität, so Görke. Momentan wird in Schwedt – auch wegen Sanktionen – vor allem kasachisches Erdöl verarbeitet, rund 100 000 Tonnen im Monat. Dieses wird zu großen Teilen durch die Druschba-Pipeline nach Brandenburg geleitet, die über russisches Territorium führt. »Wenn Russland den Hahn zudreht, dann kann die Raffinerie in Schwedt dichtmachen«, sagt Görke. Deswegen müssten alternative Routen für den Transport des kasachischen Öls gefunden werden, das bisher die Stabilität der PCK-Raffinerie garantierte.
Auch der ehemalige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), spricht sich für eine Enteignung von Rosneft Deutschland aus. Kellner hatte die Treuhandregelung mit ausgearbeitet. Im Interview mit dem RBB sagte er, die Treuhand sei von Anfang an eine Notoperation gewesen und nicht als Dauereinrichtung geplant gewesen. Die Bundesregierung solle »Nägel mit Köpfen machen« und Rosneft Deutschland enteignen, so Kellner.
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