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Mit der Schwarzen Sonne in Richtung Rathaus

Bei der OB-Wahl in Meißen rechnet sich die AfD mit einem früheren NPD-Mann gute Chancen aus

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Meißen mit der Albrechtsburg und dem Dom gilt als »Wiege Sachsens« – und könnte bald einen AfD-Rathauschef haben.
Meißen mit der Albrechtsburg und dem Dom gilt als »Wiege Sachsens« – und könnte bald einen AfD-Rathauschef haben.

In Sachsen gibt es den nächsten Bürgermeister der AfD. In der 2500 Einwohner zählenden, östlich von Dresden gelegenen Gemeinde Ohorn gewann bei der Wahl am vorigen Sonntag der Zollbeamte André Kämpfe, der parteilos ist, aber 2024 auf der AfD-Liste in den Gemeinderat gewählt wurde. Er lag zwölf Stimmen vor dem einzigen Mitbewerber vom BSW. Der Erfolg ist nicht so spektakulär wie jener von Tim Lochner, der im Dezember 2023 in Pirna zum bundesweit ersten AfD-Oberbürgermeister gewählt wurde, oder von Rolf Weigand in Großschirma ein Vierteljahr später. Dennoch trägt er dazu bei, dass die in Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei ihre Machtbasis in den Kommunen ausbauen kann.

Auf einen prestigeträchtigen Erfolg hofft sie an diesem Sonntag. Dann wird in der 29 000 Einwohner zählenden Kreisstadt Meißen der Nachfolger von Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos) gewählt. Meißen, das in vier Jahren sein 1100. Stadtjubiläum feiert, gilt als »Wiege Sachsens«. Welche Ambitionen die AfD hier verfolgt, zeigte sich 2022. Damals liebäugelte sie damit, das historische Kornhaus direkt neben der Albrechtsburg zu erwerben und eine Kaderschmiede zu errichten.

Derzeit legen sich auch Bundespolitiker der AfD für die OB-Kandidatur des Bauunternehmers René Jurisch ins Zeug. Auch er ist parteilos und dürfte gar nicht in die AfD aufgenommen werden, weil er um das Jahr 2000 herum Mitglied der NPD war. Zu dieser gibt es einen Unvereinbarkeitsbeschluss. Trotzdem sitzt der 51-Jährige für die Partei bereits im Stadtrat und im Kreistag. Bei der Stadtratswahl im Juni 2024, als die AfD auf 32,3 Prozent kam, erzielte er mit fast 3300 Stimmen das mit Abstand beste Ergebnis aller Bewerber. Er führt inzwischen die Ratsfraktion, die mit neun Mitgliedern mehr als doppelt so stark ist wie die der CDU.

Ein Tattoo mit dem Nazi-Symbol trägt der Kandidat bis heute auf dem Oberarm.

Jurisch gibt an, der NPD wegen ihrer »sozialistischen Ziele« und der antisemitischen Haltung gegenüber Israel den Rücken gekehrt zu haben, und tut seine einstige Mitgliedschaft als Jugendsünde ab. Gleiches gilt für sein Engagement in dem einst von ihm gegründeten »Verein zur germanischen Brauchtumspflege Schwarze Sonne Meißen«, der 2006 abgemeldet wurde, aber zeitweise im Visier des Verfassungsschutzes stand, weil der Verdacht bestand, dort werde »rechtsextremistische Ideologie verbreitet«. Die sogenannte Schwarze Sonne ist ein bei Neonazis gebräuchliches Symbol der SS. Jurisch trägt ein entsprechendes Tattoo bis heute auf dem Oberarm.

Es gibt weitere Indizien, die nahelegen, dass der OB-Kandidat rechtsextremer Ideologie noch immer zumindest nahesteht. In sozialen Medien kursierte etwa das Foto eines Transparents mit der Aufschrift »Stoppt den menschengemachten Bevölkerungswandel«, das vor seinem Haus gehangen haben soll. Ein Flyer, der im Wahlkampf in Meißen verteilt wurde, zeigte auch einen Schwibbogen mit Reichsadler aus Jurischs privatem Umfeld. Auf einem anderen Foto ist der Kandidat in blutbesudeltem T-Shirt mit der Aufschrift »Problem gelöst« zu sehen.

Als Stadtrat torpediert Jurisch die Arbeit des Demokratie- und Integrationsbündnisses Buntes Meißen. Dem Verein wurden auf Betreiben der AfD im Stadtrat im April die städtischen Fördergelder gestrichen. Im Oktober 2024 hatte Jurisch dafür gesorgt, dass Buntes Meißen von einer Vorschlagsliste für eine EU-Förderung genommen wurde. In einem Video, das das rechtsextreme Magazin »Compact« anlässlich der OB-Wahl in Meißen drehte, beschuldigte der Kandidat den Demokratieverein, dieser sei »zutiefst mit der Antifa verwachsen«, die wiederum ihre »vermeintlichen Gegner in SA-Manier zerstört«. Das Video sorgt für Ärger. Das Weingut Proschwitz und die Staatliche Porzellanmanufaktur Meißen sahen sich unerlaubt für den AfD-Wahlkampf vereinnahmt und gehen juristisch dagegen vor. Das Weingut sprach von »gravierender Rufausbeutung«.

Bei der Abstimmung am Sonntag gilt als aussichtsreichster Kandidat neben Jurisch der amtierende Baubürgermeister Markus Renner. Er wird von einer Initiative unterstützt, zu der Stadträte mehrerer Wählervereinigungen, von SPD, Linke und CDU gehören. Außerdem tritt der FDP-Politiker Martin Bahrmann an, der bei der OB-Wahl 2018 auf knapp 15 Prozent kam. Wenn an diesem Sonntag keiner der drei Bewerber über 50 Prozent kommt, gibt es einen zweiten Wahlgang am 28. September. Dann reicht die einfache Mehrheit; alle Kandidaten dürfen erneut antreten.

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