- Berlin
- Pressefreiheit
Polizei führt Journalisten bei Demo ab und erteilt Platzverweis
Videos zeigen, wie zwei Journalisten abgeführt werden
Am Rande einer palästinasolidarischen Demonstration am Berliner Alexanderplatz sind am Mittwoch zwei Journalisten abgeführt worden. Das zeigen Videos, die von den beiden Medienschaffenden selbst auf ihren Instagram Accounts geteilt wurden. Weitere Videos und Fotos, die auf Social Media kursieren, zeigen, wie die beiden jeweils abgeführt werden, aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Auf einem Video ist zu sehen, wie die italienische Journalistin Zaira Biagini zunächst von zwei Beamten angesprochen und dann weggeführt wird. Ihr Presseausweis ist dabei deutlich an der Hüfte angebracht zu sehen. Ein weiteres Video zeigt sie später an einem Polizeiwagen, umkreist von etwa sieben Beamten. Auf ihrem Instagram Account erklärt sie, die Beamten hätten die Übergabe ihrer während der Demo aufgenommenen Fotos zur Überprüfung verlangt, was sie verweigert habe. Die Polizei erklärte, Biagini, sei lediglich gebeten worden, die Fotos zu zeigen, um sicherzustellen, dass es sich nicht um Porträtaufnahmen von Beamten handelt. Diese anzufertigen wäre tatsächlich nicht ohne Weiteres erlaubt. Nach einer Belehrung und Identitätsfeststellung sei es ihr freigestellt worden, wieder zu gehen.
Klar ist: Die Arbeit von Journalist*innen ist in Deutschland besonders geschützt. Die Durchsuchung der Arbeitsgeräte von Journalist*innen ist daher nur in Ausnahmefällen und nach richterlichem Beschluss zulässig.
Ähnlich wurde, wohl nur wenige Minuten später, mit dem Journalisten Ryad Aref verfahren, der ebenfalls von einem Beamten angesprochen wurde. Nachdem Aref seinen Presseausweis vorzeigte, wurde auch dieser abgeführt, so zeigt es ein Video. Weitere Aufnahmen zeigen auch ihn von mehreren Polizisten umstellt. Aref selbst bestätigt den Vorgang gegenüber »nd«: »Als ich gestern gefilmt habe, sprach mich ein Beamter an und forderte mich auf, den Platz zu verlassen«, sagt er. »Ich sagte ihm, ich sei Journalist und zeigte ihm meinen Presseausweis. Trotzdem haben sie mich mitgenommen.« Der Beamte sei daraufhin zunächst für eine Weile verschwunden und habe ihm dann mitgeteilt: »Sie dürfen überall in Deutschland filmen, nur nicht in Berlin.« Auch diese Anweisung, die für Aref konkret ein Ausübungsverbot seines Berufs bedeuten würde, wäre nicht zulässig: Berufsverbote können nur von einem Gericht ausgesprochen werden.
Eine Begründung dafür habe Aref nicht erhalten, nur den Hinweis, das käme dann alles mit der Post. Es scheint also, als habe Aref eine Anzeige erhalten. Die Polizei teilte zu Aref auf Anfrage mit: »Das von Ihnen genannte Ereignis ist bzw. wurde der Polizei Berlin bisher nicht bekannt oder bekannt gemacht, daher können dazu keine Aussagen getroffen werden.«
Zaira Biagini und Rayd Aref beobachten beide seit Längerem die palästinasolidarische Bewegung in Berlin und sind auf vielen Demonstrationen präsent. Dabei gilt ihr Fokus ebenfalls der ausufernden Polizeigewalt gegen Demonstrant*innen, die seit etwa 20 Monaten vielfach dokumentiert ist. Von Aref stammen etwa auch die Aufnahmen, die vergangene Woche weltweit Schlagzeilen machten, als die irische Palästina-Aktivist*in Kitty O'Brien mehrfach von einem Polizisten mit der Faust ins Gesicht geschlagen wurde und daraufhin mit gebrochener Nase und gebrochenem Arm ins Krankenhaus musste.
Zunehmend berichten Journalist*innen auf Demonstrationen mit Palästinabezug auch von Aggressionen der Polizei gegen sie selbst als Pressevertreter*innen, die vielfach auch durch Videomaterial belegt sind. So werden Journalist*innen von Beamten angeschrien, gestoßen und umgeworfen. Ein für die Pressefreiheit in Deutschland besorgniserregender Trend.
––––
*Transparenzhinweis: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung lagen die Antworten der Polizei Berlin noch nicht vor. Nach Erhalt wurde der Artikel mit den Antworten aktualisiert.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.