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»Highest 2 Losest«: Kapitalistisches Märchen
In seinem neuen Film »Highest 2 Lowest« erzählt Spike Lee von der Musikindustrie und Schwarzer Kultur
Der strahlende Morgen, an dem Musikproduzent David King (Denzel Washington) auf der Terrasse seines mondänen Brooklyner Penthouses mit Blick auf die Manhattaner Skyline steht, könnte nicht besser sein. Gerade hat er beschlossen, den Musikkatalog seines legendären Labels Stackin Hits nicht an einen Investor zu verkaufen. »Die machen daraus Werbemusik für Tampons und Viagra. Sie pressen jeden Tropfen Schwarzer Kultur und künstlerischer Integrität heraus«, sagt er zu seinem Teilhaber, der unbedingt verkaufen möchte. King will dagegen weitermachen, Musik produzieren und junge Künstler fördern. Dazu braucht er aber Kapital, um seine Kompagnons auszuzahlen, die das Business aufgeben wollen.
Nur kurze Zeit später wird sein jugendlicher Sohn Trey (Aubrey Joseph) entführt. Der Kidnapper fordert 17,5 Millionen Dollar. Kings Geld wäre damit weg und er droht, geschäftlich in den Ruin zu driften. Spike Lees neuer Film »Highest 2 Lowest« basiert auf Akira Kurosawas Krimiklassiker »Zwischen Himmel und Hölle« (1963). Der Plot ist ähnlich gestrickt, wenngleich der 68-jährige Spike Lee seinen Film nicht als Remake, sondern als Neuinterpretation des Stoffes verstanden wissen will. Wie im Original ist es dann nicht wirklich der Unternehmersohn, der entführt wird, sondern aufgrund einer Verwechslung dessen engster Freund, Kyle (Elijah Wright), der Sohn des Chauffeurs Paul Christopher (Jeffrey Wright).
Insofern ist die Verwertungslogik der Kulturindustrie inklusive des medialen Rummels eigentliches Thema dieses Films.
Soll King das Lösegeld trotzdem bezahlen? Auch wenn es gar nicht sein Sohn ist, den der Kidnapper in der Gewalt hat? Das diskutiert er mit Ehefrau Pam (Ilfenesh Hadera), Sohn Kyle und der Polizei. Bald ist klar, dass die Banken ihm alles wegpfänden, wenn er zahlt. Vom Luxus-Apartment über seine Kunstsammlung (u.a. mit Basquiat, Kehinde Wiley und Henry Taylor) bis hin zum Katalog mit der Schwarzen Musik, die er jahrzehntelang produziert hat. Der Name Stackin Hits hat nicht von ungefähr Ähnlichkeit mit dem Label Stax, aber auch die Songs und Kompositionen von Miles Davis, Aretha Franklin und anderen Legenden der Schwarzen Musik sind Teil des Imperiums von David King.
Den weiß Denzel Washington hingebungsvoll zu spielen als selbstgefälligen Erfolgsmenschen, der plötzlich moralisch enorm unter Druck steht. Am Ende zahlt King natürlich, nicht zuletzt, weil der Chauffeur, dessen Sohn entführt wurde, sein enger Jugendfreund ist. Beide stammen aus prekären Verhältnissen in der Bronx. Während King Karriere machte, landete Christopher im Knast. Seine Haftstrafe hat er zwar abgesessen, aber für die im King’schen Apartment herumwuselnde Polizei ist er als Vorbestrafter dennoch verdächtig.
Schließlich wird eine Geldübergabe in der U-Bahn geplant, die voller Baseball-Fans von Brooklyn in die Bronx fährt. Die Übergabe endet in einem Straßenfest der puertoricanischen Community im Norden Manhattans, bei dem die Anfang August im Alter von 88 Jahren verstorbene Musiklegende Eddie Palmieri auf der Bühne zu sehen ist, der breit grinsend sein Piano bearbeitet.
Der Entführte wird befreit, King droht der Konkurs, während die Medien ihn als Held feiern. Sein Label macht mehr Umsatz, aber Anwälte und Kapitalgeber sitzen ihm im Nacken. Er hat zwei Wochen Zeit, das Lösegeld zurückzuholen. Während die Polizei hilflos im Dunkeln tappt und weiter den Chauffeur verdächtigt, ist es schließlich die Musikexpertise von King, die zur Lösung führt. Er erkennt die Stimme des Entführers, mit dem er mehrfach telefoniert hat, auf einem liegengebliebenen Demo-Tape.
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Es muss der Rapper Yung Felony (A$AP Rocky) sein, den King und Christopher in ihrer alten »Hood« in der Bronx aufspüren, um das Lösegeld zurückzubekommen. Im Studio, wo der Rapper gerade Aufnahmen macht, setzt sich ihm King am Pult mit Knarre in der Hand gegenüber und verhandelt, bis es zum zwangsläufigen Schusswechsel und einer Verfolgungsjagd kommt.
»Highest 2 Lowest« ist ein kapitalistisches Märchen über einen Schwarzen Unternehmer, der durch die Konfrontation mit dem Kidnapper, die fast als Rap-Battle inszeniert ist, an seine eigentlichen Grundsätze erinnert wird. Bekommt King noch etwas mit vom Leben auf der Straße, deren Sounds er in Wert setzt? Mitunter wirkt das sehr aufgesetzt, nicht zuletzt, weil der Film mit reichlich pathetischer Musik unterlegt ist.
Yung Felony, so stellt sich heraus, ist großer King-Fan und frustrierter Künstler, der aber durch diese Geschichte berühmt wird und als rappender Celebrity im Knast landet. Insofern ist die Verwertungslogik der Kulturindustrie inklusive des medialen Rummels eigentliches Thema dieses Films, der auf krasse Klassengegensätze, wie sie bei Kurosawa zu sehen sind, verzichtet. Stattdessen überführt Spike Lee den Konflikt um gesellschaftliche Hierarchien in eine Geschichte um Aneignung und Inwertsetzung Schwarzer Musikkultur. Das ist in der finalen Happy-End-Auflösung leider sehr gefällig. Wobei Spike Lee hier ein Schwarzes New York jenseits gängiger Klischees inszeniert mit einem enormen Staraufgebot, unter anderem ist sogar Basketball-Legende Rick Fox in einer Nebenrolle zu sehen.
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