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»Macht ihr unsere Häuser platt, zieh’n wir in die Innenstadt«
Autonomen Zentrum in Wuppertal soll Ditib-Moschee weichen – Aktionstage für den Erhalt
Als am Samstagmittag etwa 50 Autonome unter Rufen »Subkultur trifft Hochkultur« einen goldgelben Sessel mit den auf das Polster gesprayten Worten »Oi« und »Punk« in das Von der Heydt-Museum tragen wollten, zeigte die Polizei kein großes Interesse an der kulturellen Begegnung. Die Handvoll Demonstrant*innen, die es schon in das Foyer des Museums geschafft hatten, wurden hinausgezerrt, und auch der Sessel landete wieder auf der Straße.
Die kleine Aktion am renommierten Kunstmuseum steht sinnbildlich für das, was Autonome in Wuppertal am ganzen Wochenende gemacht haben: Da waren auch eine kleine Demo in einem Einkaufszentrum, Störaktionen bei Wahlkampfständen der AfD und einem Sommerfest der SPD. Begonnen hatte das Aktionswochenende am Freitagabend mit einem Konzert auf dem für Wuppertaler Verhältnisse schicken Laurentiusplatz. Hier trafen Punkrock und Dosenbier auf Aperol und Antipasti.
Die Aktionen der Autonomen haben aber einen ernsten Hintergrund. Das Autonome Zentrum soll weg, weichen für eine Moscheeneubau der Ditib. Ideen dafür gibt es seit 15 Jahren, sie werden allerdings immer konkreter. 2023 stimmte der Stadtrat bei einem Zielbeschluss für den Moscheebau. Gebäude und Grundstück des Autonomen Zentrums gehören der Stadt. Im Zielbeschluss ist zwar davon die Rede, dass man Ersatz beschaffen wolle, doch bisher konnte die Stadt den Linken kein geeignetes Gebäude präsentieren. Dass sich das bald ändert, glauben die Autonomen nicht. Im Gegenteil sind sie besorgt, ersatzlos geräumt zu werden.
Deswegen auch das Aktionswochenende. In Nordrhein-Westfalen finden am kommenden Sonntag Kommunalwahlen statt. Die zukünftige Wuppertaler Ratsmehrheit wird wohl darüber entscheiden, wie es an der Straße Gathe weitergeht. Kann das Autonome Zentrum bleiben, muss es der Moschee weichen oder ist eine Nachbarschaft weiter vorstellbar? Bisher liegen Moschee und Autonome auf gegenüberliegenden Straßenseiten. Die Ditib will neu bauen, eine größere Moschee, dazu eine Kindertagesstätte, Wohnungen für Studierende und Senior*innen. Der neubau soll auch zur Aufwertung des Stadtteils beitragen.
Mit ihren Aktionen wollten die Autonomen zeigen, dass eine Räumung des Zentrums für die Stadt unangenehm werden könnte. Dann müsste Wuppertal mit mehr spontanen Demonstrationen, Störaktionen und Besetzungen, wie es sie am Samstagabend auch kurzzeitig gab, rechnen. »Macht ihr unsere Häuser platt, zieh’n wir in die Innenstadt«, so die laute Ansage der Autonomen.
Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Ditib suchten die Autonomen schon vor dem Wochenende. Bei einer Stadtteilversammlung, die von ihnen am Mittwoch organisiert wurde, wurde über Graue Wölfe und den Einfluss der AKP auf die Ditib diskutiert. Erol Ünal, der heute bei der Fachstelle Rechtsextremismus der Alevitischen Jugend arbeitet, berichtete darüber, wie es ist, unter Grauen Wölfen aufzuwachsen. Er berichtete, dass ihm Deutsche »völlig fremd« gewesen seien. Ünal kritisierte, dass die Auseinandersetzung mit türkisch-nationalistischen Ideologien und der Geschichte den Jugendlichen in Deutschland individuell überlassen werde. Ihm sei zum Beispiel, als er das Thema ansprach, »eingetrichtert« worden, dass die Türken »ethnisch« viel zu gut seien, um Verbrechen wie den Genozid an den Armenier*innen zu begehen. Seine eigene Abnabelung von der rechten Ideologie bezeichnet Ünal als schwierigen Prozess, den er gemeinsam mit seinem Bruder durchlebt habe. Geholfen hätten ihnen damals nur Diskussionen in Internetforen.
Der zweite Referent bei der Stadtteilversammlung, Murat Kayman, war von 2014 bis 2017 Justiziar des Bundesverbandes der Ditib. Kayman beschrieb, wie er nach den Anschlägen vom 11. September 2001 anfing, sich in seiner Heimat Lübeck für die Ditib zu engagieren. Es sei eine »heikle Zeit für Muslime« gewesen, mit Anfeindungen und Verdächtigungen. Er habe dem etwas entgegensetzen wollen: Offenheit und Dialogbereitschaft. Kaymans Engagement kam an und er stieg in der Ditib auf. Sein Ziel war: die Ditib in eine deutsche Religionskörperschaft überführen. Doch die türkische Religionsbehörde Diyanet, die bis heute alles Wesentliche bei Ditib bestimmt, hätte nach Kaymans Willen nur noch als »religiöser Stichwortgeber« fungiert. »In Ankara gab es keine große Fürsprache für die Eigenständigkeit, daran bin ich gescheitert«, bilanziert er.
Die Entwicklung der Ditib sieht Murat Kayman kritisch. Die Abhängigkeit von Ankara sei eindeutig. Das letzte Wort bei der Besetzung von Vorstandsämtern habe die Türkei. Dennoch spricht er sich für repräsentative Moscheebauten aus. In seiner Jugend habe man das Fastenbrechen in einer Turnhalle durchgeführt –kein Ort, der zur tiefen Religiosität einlädt. Beim Problem in Wuppertal sieht Kayman die Stadtverwaltung in der Pflicht, ein »konstruktives Gerüst zu errichten«. Ob das mit Ditib möglich ist, daran hat er jedoch Zweifel. Religionsgemeinschaften sollten bei gesellschaftlichen Konflikten einen und nicht spalten.
Ob der Appell gehört wird, bleibt fraglich. Gegen den Moscheebau an der Gathe und für das Autonome Zentrum sprechen sich die Linke und die »Partei« aus. Die FDP ist gegen die Moschee. Die AfD ist gegen Moschee und AZ. SPD, CDU und Grüne stehen hinter dem Moscheebauprojekt.
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