- Gesund leben
- Diagnostik
Augenscreening und Hautanalyse in der Drogerie
Die Drogeriekette dm testet neue Gesundheitsangebote in ihren Filialen – Kritik kommt von Ärzten und Verbraucherschützern
Zu den neuen Angeboten der Drogeriekette dm in ausgewählten Filialen gehört zum Beispiel ein Augenscreening. Dabei geht es nach Angaben des Unternehmens um eine Netzhautfotografie und einen Sehtest. In einem anderen Angebot zur Hautanalyse ist ein Online-Gespräch mit einem Facharzt enthalten. Auch das Blut kann man untersuchen lassen – auf Herz-Kreislauf- oder Diabetes-Risiken. Dafür arbeitet dm jeweils mit Partnerfirmen zusammen. Bis auf die KI-gestützte Hautanalyse kosten alle Angebote Geld – Sehtest und Netzhautfotografie zum Beispiel zusammen 14,95 Euro.
Der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) und der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) sehen die Angebote kritisch. Unter anderem monieren sie, dass fachliche Standards nicht eingehalten würden. Vor allem der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) sei mit Vorsicht zu genießen. BVDD-Präsident Ralph von Kiedrowski hat den Angaben nach einen Selbstversuch gemacht – und eine falsche »Diagnose« bekommen. Zudem Empfehlungen für mehrere dm-Produkte, wie er kritisiert.
»Eine nicht unerhebliche Anzahl an Patientinnen und Patienten, die Online-Hautchecks nutzen, können gar nicht abschließend rein digital versorgt werden«, erklärt Kiedrowski weiter. Als Beispiel nennt er Muttermale mit Verdacht auf schwarzen Hautkrebs. »Hier reichen Fotos zur Beurteilung keinesfalls aus und unterschreiten den fachärztlichen Standard.«
Zudem fürchten die Verbände, dass die Wartezimmer in Praxen voller werden könnten. Spätestens, wenn die Menschen auffällige Ergebnisse erhalten, könne nur noch die Untersuchung einer Augenärztin oder eines Augenarztes Klarheit schaffen, teilt der BVA mit. »Kunden mit fehlerhaft auffälligen Befunden könnten verunsichert sein und dadurch zusätzliche Termine in den Augenarztpraxen in Anspruch nehmen, die für andere Patienten wichtiger sein könnten«, warnt der 1. BVA-Vorsitzende Daniel Pleger.
Das Karlsruher Unternehmen dm betont hingegen, dass es sich etwa bei der KI-gestützten Hautanalyse nicht um medizinische Untersuchungen oder Diagnosen handle. Darauf würde transparent hingewiesen, erklärt Sebastian Bayer, dm-Geschäftsführer im Ressort Marketing und Beschaffung. Die telemedizinische Behandlung hingegen werde »ausschließlich von erfahrenen Fachärztinnen und Fachärzten für Dermatologie durchgeführt – vergleichbar mit einer regulären Hautarztpraxis«. Sollte der Verdacht auf eine ernsthafte oder bösartige Hauterkrankung bestehen, verwiesen sie auf die Versorgung vor Ort.
Auch die Netzhautaufnahmen prüften Fachärztinnen beziehungsweise Fachärzte für Augenheilkunde. »Diese ärztliche Prüfung garantiert eine qualitätsgesicherte Auswertung und gewährleistet die Einhaltung höchster fachlicher Standards.« So sollten auch die von der KI erkannten Auffälligkeiten korrekt eingeordnet werden. Auch hierbei würde informiert, dass das Angebot keine fachärztliche Untersuchung ersetzen solle.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Verbraucherschützer sehen das Thema ebenfalls kritisch. Zwar belebe Wettbewerb das Geschäft, sagt Peter Grieble, Leiter der Abteilung Versicherungen, Pflege, Gesundheit bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Er vergleicht die dm-Angebote mit den sogenannten Igel-Leistungen, also ärztlichen Zusatzleistungen, die über den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen hinausgehen.
Entscheidend sei der Rahmen, betont Grieble. Schon die Werbung müsse deutlich machen, was ein Angebot leisten kann, wie eingeschränkt es sei und dass es etwa nicht dem entspreche, was ein Augenarzt leisten könne. »Das muss in der Darstellung klar werden.« Und hier habe er Zweifel, wie das – den Anforderungen entsprechend – umgesetzt werden könne.
Ein Problem sieht er auch beim individuellen Umgang mit möglichen Patienten. Deren Bedarf müsste vorab geklärt werden. Dazu zähle auch, wie jemand mit einer womöglich kritischen Diagnose umgeht, ob er sie überhaupt wissen möchte. Griebles Rat: »Je gesundheitsrelevanter eine Thematik ist, desto mehr ist sie beim Arzt angesiedelt.« Die Frage, ob für die eigene Haut die frei verkäufliche Creme A oder B besser ist, sei in der Regel nicht mit Gesundheitsrisiken verbunden. Eine Krebsdiagnose »ist aber nichts, das man en passant machen kann«. dpa/nd
Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.