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Der Donau Wellen
Kult ums Feingebäck: Der längste Strom in Mittel- und Südosteuropa fließt von einem Torten-Ort zum anderen
Schaut man sich entlang der Donauufer nach kulinarischen Besonderheiten um, fällt die enorme Vielfalt auf. So unterschiedlich die Landschaften und Kulturen der zehn Anrainerstaaten sind, so bunt sind Kochbücher und Speisekarten. Unverkennbar dabei ist die Vorliebe für Süßes. Krönung jeder Kaffeetafel links und rechts des Flusses sind feine Konditorwaren. Ob mit Creme und Früchten, Sahne, Pudding, Schokolade oder Marzipan: Ohne Torten wäre eine Donaureise wohl nur halb so schön.
Beschwipste Torte
Das Quellgebiet der Donau liegt am Schwarzwald. Dessen Namen trägt die Lieblingstorte Deutschlands. Und wer hat sie erfunden? Die Schweizer, so behaupten diese selbst. Es könnte aber auch ein rheinländischer oder schwäbischer Konditor gewesen sein. Fest steht, dass im Südschwarzwald bereits vor 1900 ein Dessert aus Kirschen, Kirschwasser und Sahne von sich reden machte.
Zusammen mit Biskuit und Schokolade wurde vermutlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die erste Schwarzwälder Kirschtorte kreiert. Seinen Siegeszug trat das beschwipste Feingebäck ab 1930 vor allem von Berlin aus an. Als Heimat wurde ihm allein des Namens wegen das höchste deutsche Mittelgebirge zugedacht. Alle zwei Jahre findet dort – in Todtnauberg südlich von Freiburg – das Schwarzwälder Kirschtortenfestival statt.
Die Torte vom Blech
Die größten Wogen in der Donau-Torten-Szene schlägt vom Schwarzwald her die Donauwelle. Vermutlich träumt man dort, wo Zentraleuropas längster Strom noch ein zartes Flüsschen ist, besonders gern vom großen Wellenrauschen. Die aus Rührteig, Sauerkirschen, Kakao und Buttercreme bestehende Kalorienbombe greift in ihrer Form gleich zweimal die Bewegungen des Wassers auf.
Die schokoladenbraune und die eiergelbe Teigschicht zeichnen – dank eingedrückter Kirschen – im Querschnitt Wellenlinien. Eben solche kriegt per Gabel- oder Kamm-Gravur auch die Glasur aus Kuvertüre oder Schokolade. Meist wird Donauwelle auf einem Kuchenblech gebacken – und serviert in viereckigen Stücken. In der DDR, wo ihr Name womöglich zu viel Sehnsucht nach dem Westen hätte wecken können, hieß sie »Schneewittchenkuchen«.
Die Torte der Herzen
Aus dem schönen niederbayerischen Straubing an der Donau stammt die Agnes-Bernauer-Torte. Dieses appetitliche und durchaus sättigende Schichtwerk aus Nuss-Baiser und Moccabuttercreme ist zumindest bayernweit berühmt. Gewidmet hat sie ihr Erfinder, der Konditor Krönner, einer jungen Frau, die im 15. Jahrhundert lebte und wegen ihrer nicht standesgemäßen Liebe sterben musste. Man ertränkte sie 1435 als »Hexe« in der Donau.
Bis heute wird die Baderstochter Agnes Bernauer, für kurze Zeit vermählt mit Herzog Albrecht, als Volksheldin verehrt. Das Original der 1954 erstmalig kreierten, nach ihr benannten Torte gibt es natürlich im Café Krönner direkt am 68 Meter hohen mittelalterlichen Stadtturm mitten in der Altstadt Straubings. Wer die Torte nicht gleich aufisst, kann sie maximal fünf Tage lang im Kühlschrank aufbewahren.
Vergitterte Torte
Mehr süßen Zustrom erhält die Donau in der Alpenrepublik. Denn die österreichische Kaffeehauskultur ist mit feinem Back- und Konditorenwerk untrennbar verbunden. Von besonderer Bedeutung sind die Torten-Orte Linz und Wien.
Das Rezept der Linzer Torte stammt von anno 1653 aus dem Kochbuch Anna Margarita Sagramosas, einer Gräfin aus Verona. Weltweit gibt es keine ältere Beschreibung zum Backen einer Torte. Zudem war sie das erste Backwerk, das man nach einem Ort benannte. Ein helles Rautenmuster auf rotem Marmeladenspiegel von Johannisbeeren (Ribisel) verleihen ihm sein markantes Outfit. Das gehört inzwischen selbst in Form von Logos zum Erscheinungsbild der modernen, coolen Donau-City Linz.
Auch geschmacklich unterstreicht die Torte ihre Exklusivität. Der braune Mandel-Nuss-Mürbteig wird mit Zimt und Nelken abgeschmeckt. Die dekorative Gitterdecke – fruchtig unterlegt – besteht aus Mehl, Fett, Zucker, Ei und Mandeln, Nüssen sowie Persipan, Zimt und Abrieb von Zitrone. Zum Durchziehen lässt man die Torte nach dem Backen ein paar Tage ruhen.
Die Azubi-Torte
Der internationale Star unter den Donau-Cremegebäcken ist eine echte Wienerin: die Sachertorte. Die im Geschmack durch feine Schokolade, Kakao und Konfitüre aus Marillen (Aprikosen) geprägte Leckerei gehört zur Hauptstadt Österreichs wie Kaiserschmarrn, Tafelspitz und Wiener Schnitzel. Erste Vorläuferinnen gab es bereits im 18. Jahrhundert. Richtig »erfunden« wurde sie im Jahre 1832 vom damals 16-jährigen Konditorlehrling Franz Sacher – als Dessert zum Abendessen. Im Dienst des Fürsten Metternich sprang der begabte Jüngling ein, als unverhofft der Küchenchef erkrankte und anspruchsvolle Gäste schon im Anmarsch waren.
Sein Werk gelang und sorgte für Zufriedenheit. Doch erst Jahre später, als es Sacher Junior vollendete, gelangte es zum Ruhm. Wie sein Vater war Eduard Sacher noch Auszubildender, als er in der k. u. k. Hofzuckerbäckerei Demel die nach ihm benannte Torte so zubereitete, wie wir sie heute kennen. Als er 1876 das Hotel Sacher eröffnete, war die edle Leckerei bereits ein Wiener Kassenschlager.
Da die Sachertorte nicht per Gesetz geschützt ist, gibt es kein verbindliches Rezept. Was und wie viel verwendet wird, ist variabel. Lediglich bei der Konfitüre wird ein Fruchtanteil ab 45 Prozent verlangt. Ebenso dürfen nicht weniger als 15 Prozent Schokolade mit mindestens 35-prozentigem Kakaogehalt enthalten sein. Mittlerweile kann man Sachertorte zwar vielerorts genießen, am besten aber mundet sie in ihrer Heimat Wien – mit Schlagobers (Schlagsahne) und einem kleinen oder großen Braunen oder Schwarzen (Kaffee mit oder ohne Milch).
Warhols Lieblingstorte
Ein Stück donauabwärts, in Ungarns Hauptstadt Budapest, schuf Konditor József C. Dobos 1885 eine Torte, die er nach sich selbst benannte. Sensationell für damalige Kühlbedingungen war ihre zehntägige Haltbarkeit – erreicht durch eine stabile Struktur und versiegelte Glasur, die vor dem Austrocknen schützt.
Die verführerische Kreation aus insgesamt zwölf Schichten (sechsmal Biskuit, fünfmal Schokobuttercreme plus einer harten, dicken Karamellglasur) ist heute Ungarns populärste süße Knabberei. Mit einem Konditoreimuseum ehrt sie Szentendre. Die malerische Barockstadt nahe Budapest liegt gleichfalls an der Donau. Der US-amerikanische Pop-Art-Künstler Andy Warhol, dessen Familie aus Ungarn stammte, verewigte die Dobostorta 1959 als »Torte a la Dobosch« in seinem Kochbuch »Wild raspberries« (Wilde Himbeeren).
Die Recherche wurde unterstützt von A-ROSA und den Tourismusmarketing-Gesellschaften von Baden-Württemberg und Bayern.
- Reisen: Flusskreuzfahrten auf der Donau mit vielen kulinarischen und anderen Reiseerlebnissen bietet A-ROSA auch in der Herbst- und Winterzeit, z. B. vier Tage Premium all inclusive von und nach Passau über Wachau, Wien, Bratislava und Linz ab 648 € p. P. (www.a-rosa.de).
- Literatur: Viele Anregungen und Informationen für Reisen an und auf der Donau liefert der »DuMont Bildatlas Donau« von Carsten Heinke (Texte) und Jörg Modrow (Fotos) in der aktualisierten Neuauflage von 2025, 11,50 €, ISBN 9783616013046.
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