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Sagenhaft geheimnisvoll: Unterwegs auf der Schwäbischen Alb

Herbstliches Licht, düstere Höhlen und märchenhafte Burgen: Die Schwäbische Alb erzählt ihre Sagen zwischen Natur und Geschichte

  • Manfred Lädtke
  • Lesedauer: 4 Min.
Hinter Hagebuttensträuchern: Blick auf das Schloss Lichtenstein auf der Schwäbischen Alb
Hinter Hagebuttensträuchern: Blick auf das Schloss Lichtenstein auf der Schwäbischen Alb

Allmählich weicht das Grün buntem Laub. Nebelschwaden wabern über das herbstliche Land. Es wird stiller, und die Schwäbische Alb wandelt sich im milden Licht zur optischen Kulisse für ihre Mythen und Sagen. »Mal sind sie gruselig, mal kurios, aber stets geheimnisvoll«, verspricht Reiseführerin Sannah Mattes.

Lichte Buchenwälder, karge Wachholderheiden, raue Steinformationen und weit geschwungene Täler breiten sich über das Fleckchen Erde südlich von Stuttgart aus. Die 700 Meter hoch gelegene friedliche Region ist ein Ruhepol für die Seele, meist »einen Kittel kälter« als anderswo und ein »zapfig« erfrischendes Reiseziel an heißen Tagen.

Heiß her ging es in dem süddeutschen Mittelgebirge nur, als Kelten, Römer und Stauffer die Alb durchstreiften. Noch vor 65 Jahren galt es als uncool, in Knickerbockern und mit Wanderstab weltvergessene Pfade zu erkunden. Heute treffen Alb-Wanderer auf ein touristisch erschlossenes Abenteuerland mit Burgen, Schlössern und Höhlen. Gerüstet mit festem Schuhwerk, bietet sich an, am Fuße der Burg Teck einen Blick in die Unterwelt zu werfen. Ein rutschiger Waldpfad führt zum Sibyllenloch, ist aber auch für Kinder passierbar.

Sagenhafte Felslöcher

Wie die meisten Hohlräume im Kalkstein der Alb hat auch dieses verwunschene Plätzchen eine »sagenhafte« Geschichte. In dem Felsloch soll eine gütige Frau gehaust haben. Deren Weisheit und Prophezeiungen waren im Tal geschätzt, sodass Menschen in dem unwegsamen Gelände hinabstiegen und sich Rat holten.

Weil ihre missratenen Söhne jedoch als Räuber das Land in Angst und Schrecken versetzten, rauschte die verzweifelte Seherin eines Tages in einem Feuerwagen durch die Lüfte davon. Wo der Wagen die Erde berührte, sollen in der »Sibyllenspur« Gras und Korn üppiger gewachsen sein.

In Wirklichkeit sei die Bodenlinie eine römische Befestigungsanlage aus dem 2. Jahrhundert, klärt eine Expertin auf. Entlang des ursprünglichen Verlaufs der Gräben und Befestigungen gebe es aber tatsächlich unterschiedlich schnelles Wachstum. Derweil tasten sich die Besucher mit Taschenlampen durch das finstere Loch, bis es in einer Sackgasse endet.

Wanderparadies mit Ausblick

Wohin die Wege von Königen und Kaisern führten, zeigt ein monumentales Rundbild mit zwölf Szenen im Kloster Lorch. Bei jedem Alb-Highlight gibt es Parkplätze, von denen aus die Wanderung starten kann. Auf einem Bergsporn über dem Beutental ist es nur ein Steinwurf vom Parkplatz bis zum Wäscherschloss. Eine Ringmauer schützt das bescheidene Bauwerk. Das ist die Wiege der mächtigen schwäbischen Staufer? Kein Zweifel.

Wirklich beeindruckend ist jedoch nur der Ausblick auf die Kaiserberge Hohenstaufen, Rechberg und Stuifen. Über die Herkunft des Burgnamens spekulieren Historiker. Fest steht lediglich, dass die Annahme, Kaiser »Barbarossa« habe hier ein Techtelmechtel mit einer schönen Wäscherin gehabt und ihr die Immobilie geschenkt, ins Reich der Fabel gehört. Eine Festung fernab vom Wasser in der Ödnis habe den Staufern wohl kaum als »Waschsalon« gedient, gibt Sannah zu bedenken.

Knapp 70 Kilometer weiter geht es wieder in eine Welt unter Tage. In der Wolfsschlucht bei Bad Urach hat die Schillingshöhle keine Sage hinterlassen, aber Literaturgeschichte geschrieben. In seinem Jugendroman »Rulaman« (1878) nennt David Friedrich Weinland die 245 Meter lange Felsengrotte »Tulkahöhle« und macht sie zum zentralen Schauplatz. Der wiederentdeckte Urzeit-Klassiker schildert Abenteuer eines Häuptlingssohnes in der Ära der Höhlenmenschen. In dem schwäbischen Thriller lebt friedlich der Tulka-Stamm – bis die Kelten in das Jagdgebiet auf der Alb eindringen. Hmm …? Sicher fanden in dem Labyrinth Bär und Luchs Unterschlupf. Menschen suchten in der Höhle allenfalls Schutz vor Kriegshorden, haben sie aber nie bewohnt.

Vom Märchenschloss zum Skulpturenpfad

Dass im umgekehrten Kontext aus Literatur sichtbar Märchenhaftes entstehen kann, zeigt »zu Hauff« ein touristischer Höhepunkt auf einem »lichten« Fels über dem Echaztal. Inspiriert von Wilhelm Hauffs Burgbeschreibung im Roman »Lichtenstein« ließ ein vermögender Graf 1842 auf den Ruinen einer Ritterburg ein Märchenschloss bauen, wie es im Buche steht. Auch wenn nie ein Krieger diese »Ritterburg« betreten hat, bietet sie alles, was das Touristenherz begehrt: Brücke mit Tor, Rittersaal, Gemäldegalerie, Waffenhalle und Verliese. Dabei war der für den Grafen zu Stein gewordene Alb-Traum auch für Hauff zunächst nur ein Traumschloss. Eine Heimatsage animierte den Märchendichter, seinen Roman zu entwickeln.

Am Stadtrand von Pfullingen geht die Fantasie ein letztes Mal auf Reisen. Stolze sechs Kilometer lang ist die holzgeschnitzte Sagenwelt von Billy Tröge. Am Wegesrand lauern an elf Stationen Skulpturen wie »Nachtfräulein der Urschel« oder »Knecht Haule«. »Ich sehe einem Baum förmlich an, was in ihm steckt«, verrät der Künstler mit Holzsäge. Infotafeln erzählen die Geschichte der geheimnisvollen Feen und Waldgeister. Und weil in jeder Sage ein Fitzelchen Wahrheit stecken könnte, blendet man auf der Schwäbischen Alb Fragen, wie sie ein Schäfer einem Sagensammler gestellt haben soll, lieber aus: »Abr Herr, glaubet denn Sia so Lumbensächle?«

Informationen: www.schwaebischealb.de

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