Thailand öffnet Arbeitsmarkt für geflüchtete Karen

Nach Jahrzehnten in Lagern dürfen Schutzsuchende aus Myanmar erstmals auf Einkommen hoffen

  • Robert Lenz
  • Lesedauer: 4 Min.
Für Geflüchtete aus Myanmar, die in thailändischen Lagern leben, gibt es kaum Perspektiven. Erstmals kann ein Teil von ihnen nun eine Arbeitserlaubnis beantragen.
Für Geflüchtete aus Myanmar, die in thailändischen Lagern leben, gibt es kaum Perspektiven. Erstmals kann ein Teil von ihnen nun eine Arbeitserlaubnis beantragen.

Darauf haben Zehntausende geflüchtete Angehörige des Volkes der Karen aus Myanmar seit Jahrzehnten gewartet. Ende August machte die thailändische Regierung den Weg frei, sodass die in Lagern an der Grenze zum Nachbarstaat lebenden Menschen legal in Thailand arbeiten können.

In den neun Lagern, die es seit den 80er Jahren gibt, leben derzeit etwa 108 000 Menschen. Die meisten sind vor den Übergriffen des myanmarischen Militärs geflohen. Fast die Hälfte wurde in den Lagern geboren.

Die neue Arbeitserlaubnis gilt aber nur für die etwa 80 000 Geflüchteten, die bei der thailändischen Regierung registriert sind. Davon sind rund 42 000 im arbeitsfähigen Alter. Für die Jobsuche müssen sie eine Ausreisegenehmigung und eine Arbeitserlaubnis mit einer Gültigkeit von bis zu einem Jahr beantragen.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) begrüßte den Schritt. Obwohl die neue Regelung nur für eine begrenzte Zahl von Flüchtlingen gelte, könne sie einen »regionalen Maßstab« für eine »rechtsbasierte Flüchtlingslösung« setzen. UNHCR werde sich laut einer Resolution dafür einsetzen, dass die Regelung auf alle Geflüchteten ausgeweitet wird.

Trump-Regierung verschärfte humanitäre Lage

Die thailändische Regierung hatte den Geflüchteten jahrzehntelang legale Arbeit, Bewegungsfreiheit und den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen verwehrt. Dadurch waren sie weitgehend auf ausländische Hilfe angewiesen.

Zuletzt verschärfte sich die Verzweiflung in den Lagern in Folge der Abwicklung von USAID durch US-Präsident Donald Trump im Februar dieses Jahres. Die Hilfsorganisation war die größte Einzelgeberin. Zunächst wurden in den thailändischen Lagern die monatlichen Lebensmittelrationen auf 2,30 US-Dollar und dann zum 1. August ganz auf null gekürzt.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Hilfsorganisationen forderten sofort nach dem Aus von USAID eine Arbeitserlaubnis für die Geflüchteten. »Es ist doch besser, selbst Geld für sich und die Familie zu verdienen, als von externer Hilfe abhängig zu sein«, sagt Pastor Robert Htwe zu »nd«. Er ist seit Jahrzehnten Vorsitzender der Hilfsorganisation Karen Refugee Committee (KRC) in der thailändischen Grenzstadt Maesot. Die Regierung in Bangkok blieb, nicht zuletzt wegen der populistischen Stimmungsmache gegen migrantische Arbeiter, zunächst bei ihrem harten Kurs.

Arbeitskräftemangel führt zu Kurswechsel

Das Umdenken Ende August folgt einer ökonomischen Notwendigkeit. Thailands Wirtschaft ist auf Arbeitskräfte angewiesen, hauptsächlich aus Myanmar und Kambodscha. Im April 2025 waren laut dem Arbeitsministerium in Bangkok in Thailand etwa 4,1 Millionen Arbeitsmigranten registriert. Hinzu kommen illegale Arbeitskräfte, deren Zahl auf zwischen ein und zwei Millionen geschätzt wird. Damit machen Migranten insgesamt rund 15 Prozent der Erwerbsbevölkerung aus.

Hinzu kommt, dass die beiden buddhistischen Königreiche Thailand und Kambodscha sich im Juli einen fünf Tage dauernden Krieg lieferten. Auf beiden Seiten kam es in den sozialen Medien zu nationalistischer Hetze gegen die jeweiligen Nachbarn. In der Folge verließen laut thailändischer Regierung rund 900 000 kambodschanische Arbeiter das Land fluchtartig. Sie waren vor allem im Baugewerbe und in der Fischerei beschäftigt.

Viele Geflüchtete weiter bedroht

Arbeitsmarktexperten bezweifeln, dass die Lücke durch die Karen gefüllt werden kann. In den Lagern war es für sie kaum möglich, Schulbildung oder Berufserfahrung zu sammeln. Die Geflüchteten könnten laut thailändischen Arbeitsmarktexperten eher in der Landwirtschaft und in einfachen Dienstleistungsjobs in Küchen, Lagerhallen und Hotels eingesetzt werden.

Und es gibt noch einen weiteren Wermutstropfen: Die Arbeitserlaubnis gilt nicht für die vielen illegalen Karen und Menschen aus anderen Teilen Myanmars in Maesot, die vor dem Bürgerkrieg in ihrem Land geflohen sind. Sann Aung, Leiter der Hilfsorganisation New Myanmar Foundation in Maesot sagt »nd«: »Jeder der rund 500 000 illegalen Migranten in Maesot kann jederzeit verhaftet werden.«

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -