Ex-Spitzenkandidat kritisiert »linke Blase« im BSW

Parteiaustritt in Sachsen wegen Beschluss zu Israel und Gaza, Wechsel im Parteivorsitz

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Personalwechsel beim BSW Sachsen: Sabine Zimmermann gab den Landesvorsitz ab, ihr »Chefberater« Marcel Machill verließ die Partei
Personalwechsel beim BSW Sachsen: Sabine Zimmermann gab den Landesvorsitz ab, ihr »Chefberater« Marcel Machill verließ die Partei

Als Sachsens Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) am Samstag in Bautzen zum letzten Parteitag unter dem Namen der Gründungsvorsitzenden zusammenkam, berieten die 143 anwesenden Mitglieder über Leitlinien für den Landesverband. Zum Entwurf des Vorstands gab es viele Änderungsanträge, von denen aber nur ein einziger beschlossen wurde. Es handelte sich um eine Passage zum Thema Israel und Gaza, deren Annahme unmittelbar einen personellen Paukenschlag nach sich zog. Der Leipziger Journalistik-Professor Marcel Machill, der als »Chefberater« des Landesverbandes galt und diesen als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl im Februar geführt hatte, erklärte seinen Parteiaustritt.

In dem umstrittenen Passus werden die sofortige Beendigung jeglicher militärischer Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit Israel und der »Stopp der Unterstützung der israelischen Regierung« gefordert. Grund seien die »anhaltenden brutalen und massenhaften Kriegsverbrechen« in Gaza und im Westjordanland sowie das »planmäßige Aushungern und die Vertreibung der Palästinenser durch Israel zum Zweck der Landnahme«. In der ursprünglichen Formulierung war lediglich die Rede davon gewesen, dass die »menschenverachtende Situation in Gaza« wie auch der Krieg in der Ukraine und die Auseinandersetzung mit dem Iran militärisch nicht lösbar seien. Der Antrag mit der deutlich verschärften Formulierung stammt von Andreas Uhlig, Nico Rudolph und Thomas Kachel, die allesamt von der Linken zum BSW gewechselt waren.

Machill kritisierte die Passage als zu einseitig. Er wolle »keiner Organisation angehören, die der israelischen Regierung ein planmäßiges (!) Aushungern der Bevölkerung in Gaza vorwirft und mit keinem Wort erwähnt, dass die Hamas in Gaza Juden unter Tage gefangen hält und dem Hungertod ausliefert«, schrieb er in einer Erklärung. Scharfe Kritik an Israel sei legitim. Wenn sich allerdings ein Landesparteitag des Themas annehme, müsse dieser einen »gerechten Leitantrag verabschieden, der die Morde der Hamas an den Juden ebenso scharf verurteilt«. Da das nicht geschehen sei, sehe er eine »ethische Grenze überschritten«. Machill erklärte, er beobachte im BSW eine »linke Blase, die mit großer Selbstgefälligkeit die einzige Demokratie im Nahen Osten angreife«, und fügte an: »Da mache ich nicht mit.«

»Da ist für mich eine ethische Grenze überschritten.«

Marcel Machill Ex-Spitzenkandidat des BSW Sachsen

Machill hatte als Politikneuling zuvor einen steilen Aufstieg im BSW Sachsen absolviert. Er war einer der Chefunterhändler bei Gesprächen über eine Regierungsbildung mit CDU und SPD, die aber im November scheiterten. Nach seiner Kür zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gab es Vorwürfe gegen ihn als Universitätsprofessor; unter anderem ging es um unsachgemäßen Umgang mit Spendengeldern. Geschadet hat ihm das nicht. Zuletzt galt er als Anwärter auf einen Platz im Bundesvorstand, der im Dezember neu gewählt wird.

Auf dem Parteitag hatte es zuvor auch einen planmäßigen Abschied gegeben. Sabine Zimmermann, die in Sachsen die Gründung des BSW organisiert hatte und zuvor Bundestagsabgeordnete der Linken war, gab den Landesvorsitz ab, bleibt aber Chefin der 15-köpfigen Landtagsfraktion. Als ihr Nachfolger gewählt wurde der Landtagsabgeordnete Ronny Kupke, der zuvor Personalratschef bei der AOK war. Der bisherige Ko-Vorsitzende Jörg Scheibe bleibt im Amt. Auf den neu eingerichteten Posten der Generalsekretärin wurde die Plauenerin Janina Pfau gewählt, die einst Landtagsabgeordnete und Landesgeschäftsführerin der Linken in Sachsen war.

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