Palästina und Staatskrise bestimmten l’Humanité-Pressefest

Der Chef der Kommunistischen Partei Frankreichs ruft zur Sammlung aller Kräfte für den Aktionstag am 18. September auf

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Chef der Kommunistischen Partei Frankreichs, Fabien Roussel, spricht bei der »Fête de l’Humanité«, dem jährlichen Pressefest der »nd«-Partnerzeitung »l’Humanité«.
Der Chef der Kommunistischen Partei Frankreichs, Fabien Roussel, spricht bei der »Fête de l’Humanité«, dem jährlichen Pressefest der »nd«-Partnerzeitung »l’Humanité«.

Das diesjährige Pressefest der kommunistischen Zeitung »l’Humanité« am Wochenende auf einem ehemaligen Militärflugplatz im 40 Kilometer südlich von Paris gelegenen Bretigny stand weitgehend im Zeichen der Solidarität mit Palästina und der innenpolitischen Krise, die Tage zuvor erneut zum Sturz der Regierung und der Ernennung eines neuen Premierministers geführt hatte. Es war auffallend, wie viele junge Leute in diesem Jahr zum größten Volksfest Frankreichs gekommen waren, wohl weil sie hier ihre Verbundenheit mit dem palästinensischen Volk bekunden konnten, ohne dass man ihre Kritik an der Politik der israelischen Regierung sofort als Antisemitismus diffamierte.

Zustimmung fand die Entschlossenheit von Präsident Emmanuel Macron, in wenigen Tagen Palästina vor der Uno in New York offiziell als souveränen Staat anzuerkennen. Inkonsequent sei es jedoch, als Reaktion auf den Völkermord in Gaza nicht auch die Lieferung französischer Waffen an Israel zu stoppen und als Druckmittel den Handel zu drosseln.

Dies und zugleich die Verbundenheit mit dem Verteidigungskampf des ukrainischen Volkes gegen die russische Aggression betonte auch der Nationalsekretär der Kommunistischen Partei (PCF), Fabien Roussel, in seiner Rede, die wie jedes Jahr ein Höhepunkt des Pressefestes war. Zur Lage in Frankreich betone er, dass die Ernennung des bisherigen Verteidigungsministers Sébastien Lecornu, eines engen Vertrauten von Präsident Macron, deutlich mache, dass die bisherige antisoziale und einzig auf die Interessen der Konzerne ausgerichtete Politik unverändert fortgeführt werden solle.

Das zeuge von der tiefen Krise des neoliberalen Systems, das sich trotz der vielen Zeichen einer politischen Krise gegen jede Kritik abschottet und für Veränderungen taub ist. In ihrem Interesse handele Präsident Macron, als er den »Vorreiter der Kriegswirtschaft Lecornu« zum Regierungschef ernannte, um den »Don Quichotte Bayrou« abzulösen, der wenig erfolgreich gegen die Windmühlen der Staatsverschuldung gefochten hatte, fuhr Roussel fort.

Wenn das Regierungslager hoffe, der im Verhandeln erfahrene und erfolgreiche neue Premier könne die Sozialisten zum Mitregieren gewinnen, ohne die rechtsoppositionellen Republikaner zu verprellen und deren Unterstützung der Minderheitsregierung zu gefährden, dann dürfte das eine Fehlkalkulation sein. Der kommunistische Parteichef hofft dabei, dass sich die Sozialisten nicht gegen die anderen linken und grünen Parteien und Bewegungen ausspielen lassen und damit das Linksbündnis der Neuen Volksfront zerstören.

»Wir haben genug gegeben, sie sollen von den Reichen nehmen, aber nicht mehr von uns. Es ist vorbei.«

Fabien Roussel Nationalsekretär der Kommunistischen Partei

In diesem Zusammenhang erneuerte Fabien Roussel die Forderung der linken und ökologischen Kräfte, Konsequenzen aus dem Wahlergebnis bei der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2023 zu ziehen, einen linken Politiker zum Premier zu ernennen und mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Das wäre die Voraussetzung für eine Politik der Steuergerechtigkeit sowie des sozialen und ökologischen Fortschritts.

Eine solche entschlossene Kurswende fordern auch die vielen Menschen, die sich an den Protestaktionen des »Blockadetages« am 10. September beteiligt haben. Dieser hatte zwar nicht zu einem totalen Stillstand im Lande geführt, habe aber einmal mehr zum Ausdruck gebracht, wie schwer es ist, mit einem kleinen Gehalt oder einer bescheidenen Rente zu überleben, wenn die Preise unaufhörlich steigen, was ebenso wie die steigenden Dividenden einzig und allein den Großunternehmern und der Kaste der Superreichen zugutekommt.

»Die Opfer und Anstrengungen, die den Arbeitern, Rentnern und jungen Menschen abverlangt wurden, das ist vorbei«, sagte Roussel mit erhobener Stimme und erntete tobenden Beifall der Zuhörer. »Wir haben genug gegeben, sie sollen von den Reichen nehmen, aber nicht mehr von uns. Es ist vorbei.«

Als Emmanuel Macron 2017 erstmals zum Staatspräsidenten gewählt wurde, rechnete der PCF-Chef vor, habe der Reichtum der 500 größten Vermögen in Frankreich bei 600 Milliarden Euro gelegen. Heute, acht Jahre später, liege er bei mehr als 1200 Milliarden. »Sie haben ihr Vermögen verdoppelt. Dieses Geld ist das unserer Arbeit, unser Reichtum, unsere Steuern: Geben Sie es uns zurück!«

Zum jährlichen Festival »Fête de l'Humanité«, das von der französischen kommunistischen Zeitung l’Humanité in Bretigny-sur-Orge südlich von Paris organisiert wurde, kamen in diesem Jahr besonders viele junge Menschen, um ihre Verbundenheit mit dem palästinensischen Volk zu bekunden – ohne dass ihre Kritik an der Politik der israelischen Regierung sofort als Antisemitismus diffamiert würde.
Zum jährlichen Festival »Fête de l'Humanité«, das von der französischen kommunistischen Zeitung l’Humanité in Bretigny-sur-Orge südlich von Paris organisiert wurde, kamen in diesem Jahr besonders viele junge Menschen, um ihre Verbundenheit mit dem palästinensischen Volk zu bekunden – ohne dass ihre Kritik an der Politik der israelischen Regierung sofort als Antisemitismus diffamiert würde.

Roussel unterstrich, dass Umfragen zufolge mehr als die Hälfte der Franzosen mit der Politik von Präsident Macron und seinen Regierungen unzufrieden sind und eine entschlossene Kursänderung fordern. Dies werde nach Überzeugung von Roussel auch der Nationale Streik- und Protesttag am 18. September unterstreichen, zu dem alle großen Gewerkschaften aufgerufen haben und an dem sich auch die Kommunisten massiv beteiligen werden.

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